Durch die Elsteraue
Radtouren ins Umland - Teil 1
Die Elsteraue ist eine einmalige Naturlandschaft. Quer durch Leipzig und weiter bis zur Saale zieht sich ein artenreicher Biotop durch eine dichtbesiedelte von der Industrie geprägte Landschaft. Etwas Vergleichbares gibt es in ganz Deutschland nicht noch einmal. Es gibt wohl noch solche artenreichen Flußauenlandschaften, aber stets weit weg von den großen Städten und von großen Industriebetrieben.
Noch in den 50er und 60er Jahren gehörte die Aue zu den beliebtesten Naherholungsgebieten im Leipziger Westen. Als Schüler in Markranstädt war ich zu Wandertagen regelmäßig im Bienitz. Radtouren und auch Anglerexpeditionen haben mich regelmäßig in den Schkeuditzer Wald geführt. Heute kennen vor allem die Jüngeren diese einmalige Landschaft kaum noch. Es ist üblich geworden, sich ins Auto zu setzen und Hunderte Kilometer zu fahren, um ein Stück Natur zu finden, das es interessanter und schöner unbemerkt fast vor der eigenen Haustür gibt.
Mit dieser ersten Radtour in diesem Jahr will ich ein bißchen helfen, das zu ändern. Dabei werde ich vorwiegend Wege nutzen, die am Auto klebenden Zeitgenossen verschlossen bleiben. Wir werden vom KOMM-Haus zunächst über Miltitz zum Zschampert fahren, vorbei an einem traditionsreichen Betrieb, der heutigen Duft- und Aroma GmbH. Den Älteren ist der Betrieb noch als Schimmels bekannt. Von ehemals 800 Beschäftigten arbeiten dort heute noch 100. Weitere Einstellungen sind geplant.
Der Betrieb stellt aus Pflanzen Duft- und Aromastoffe für die Kosmetik, die Pharmazie und die Lebensmittelindustrie her. Ein wichtiger Abnehmer ist zum Beispiel Florena Waldheim. Der Betrieb ist für mich ein gutes Beispiel für umweltfreundliche Produktion. Hier wird mit natürlichen Produkten gearbeitet und nicht mit gesundheitlich fragwürdigen Synthesen aus unappetitlichen Rohstoffen. Die Geschäftsführung, der Betrieb gehört einem amerikanischen Investor, setzt sich auch in der gesamten Region mit Nachdruck für die Förderung umweltfreundlichen Wirtschaftens ein.
Der Weg am Zschampert entlang führt uns dann zum Bienitz. Der markanteste Hügel im Westen Leipzigs ist Teil eines alten Grundmoränenzuges. Als der am Ende der Saaleeiszeit entstanden ist, war der Zschampert an seinem Fuß ca. 50 m breit.
Am sandigen Südhang wuchsen so viele seltene Pflanzen, dass vor 150 Jahren selbst der sächsische König wiederholt anreiste, um hier Pflanzen zu sammeln. Viel ist von den einstigen Naturschönheiten nicht geblieben. Eine Landwirtschaft, die gegen die Natur gearbeitet hat, Naziwehrmacht und Kampfgruppen haben viel, aber nicht alles, zerstört. Der Hügel hat auch unsere Vorfahren fasziniert. Es finden sich dort Hügelgräber und Reste einer alten slawischen Wallanlage. Vor reichlich 1000 Jahren haben dort die Ungarn ein Sommerlager errichtet, von dem aus sie jährlich über die Saale plündernd in das alte Herzogtum Sachsen einfielen bis sie vom ersten deutschen König Heinrich bei Lützen vernichtend geschlagen wurden.
Ihren tödlich verwundeten Häuptling sollen sie am Bienitz, zusammen mit ihren zusammengeraubten Goldschätzen, vergraben haben. Seitdem gibt es dort Sagen von einem goldenen Reiter und von Schatzsuchern. Unsere sorbischen Vorfahren haben sich aus diesen Händeln weitgehend herausgehalten. Zunächst haben sie die Ungarn unterstützt, aber nur soweit wie nötig, damit diese ihre Dörfer verschonten. Als das Heer der Sachsen heranzog, haben sie rechtzeitig die Front gewechselt und Heinrich geholfen, die räuberischen Nomaden zu vertreiben.
Vom Bienitz geht es dann weiter am Zschampert entlang zur Luppe. Dabei werden wir die Domholzschänke streifen. Die ehemals beliebte Naherholungsgaststätte ist heute ziemlich heruntergekommen. Wenn es das Wetter zuläßt werden wir uns die Papitzer Lehmlachen ansehen. Dort existiert die ursprüngliche von Weiden geprägte Weichholzaue noch. Unser Weg führt dann entlang von Luppe und Elster durch eine Landschaft, die in vielem an Mecklenburg erinnert, bis nach Burgliebenau und noch ein kurzes Stück Straße zum Wald von Collenbey.
Dort nisten verstreut auf den höchsten Bäumen die Reiher, die regelmäßig auch bis nach Leipzig kommen. Die Kolonie, wahrscheinlich die größte im Osten Deutschlands, wäre beinahe dem Autobahnbau des inzwischen vergessenen Politchaoten Krause zum Opfer gefallen. Der hatte, um schnellstens mit dem Bau zu beginnen, alte Nazipläne, die wegen des zweiten Weltkrieges nicht mehr verwirklicht werden konnten, wieder ausgraben lassen. Wäre Krause nicht durch ein Bündnis von Wirtschaftsverbänden und Umweltschützern gestoppt worden, gäbe es heute in Collenbey nur noch Beton statt Natur.
Hinter dem Wald von Collenbey erhebt sich übrigens die Silhouette der chemischen Werke von Schkopau (Buna). Für mich ist das eine Vision: Wirtschaft und Natur als Partner. Wenn es nicht zu schnell sehr warm wird, werden wir unterwegs mehrfach halten und uns am Wege Frühjahrsblüher ansehen. Von denen sind übrigens viele essbar und meist auch bewährte Heilpflanzen. Auch dazu wird es einiges zu sagen geben.
Die gesamte Route läuft in der Nähe des ÖPNV-Netzes, so dass jederzeit die Möglichkeit besteht notfalls per Bahn, Bus oder, ab Schkeuditz, auch mit der Straßenbahn zurückzufahren. Alle die durchhalten und bis Grünau mit dem Rad wieder mit zurückkommen, werden am Abend ca. 60 bis 65 km in den Beinen haben. In Burgliebenau gibt es einen romantischen kleinen Dorfgasthof, in dem werden wir rasten. Im Mai geht es übrigens gen Süden. Diese Tour werden wir im nächsten Heft vorstellen.
Dr. Leonhard Kasek Weiter>>>