Rosen am Kulkwitzer See
Der Sommer lässt sich feierlich empfangen, er beginnt, wenn die Hundsrosen ihre Blüten
öffnen. Die wilde Hundsrose ist die häufigste Art am See. Sie blüht weiß bis hellrosa und hat
einfache, ungefüllte Blüten. Sie duftet leider nur ganz schwach. Dornen hat sie, wie alle
Rosen, keine, sondern Stacheln. Die machen den etwa 3m hohen Strauch mit überhängenden Zweigen
für Vögel als Brutplatz sehr attraktiv. Katzen, Marder und andere Räuber werden durch die
stachligen Zweige auf Abstand gehalten. Außerdem leben über 100 Insektenarten im Rosenstrauch.
Der wird damit für 27 gern dort brütende Vogelarten zum Schlaraffenland. Viele Rosenzüchter
sind aber weniger über Blattläuse, Gallwespen oder die Raupen des Kleinen Nachtpfauenauges
begeistert und greifen leider schnell zur chemischen Keule. Dass sie damit auch Singvögel und
19 verschiedene Säugetierarten treffen, bedenken sie leider nicht.
Die Früchte der Rosen sind die überall bekannten Hagebutten. Eigentlich sind es gar keine
richtigen Früchte, sondern Fruchtstände. Im essbaren, sehr Vitamin C reichen roten Mantel
stecken die eigentlichen Früchte: Nüsschen. Auch in der Verwandtschaft ist dieses Prinzip
verbreitet: Erdbeeren sind ebenfalls Nüsschen tragende Sammelfrüchte und Himbeeren sowie
Brombeeren Sammelfrüchte aus Steinfrüchten. Hagebutten lassen sich zu Marmelade, Tee, Wein und
Likör verarbeiten. Wenig bekannt ist, dass Rosenblätter ebenfalls essbar sind und die Blätter
stark duftender Sorten gut zum Aromatisieren von Zucker taugen oder sich ebenfalls zu Likör
verarbeiten lassen.
Von den Rosen gibt es bei uns etwa 20 bis 30 Wildarten. Wie viele es genau sind, ist schwer zu sagen, weil sie sich leicht untereinander kreuzen und schwer untereinander abzugrenzen sind. Die meisten wilden Sorten stammen ursprünglich nicht von uns, sondern wurden von Menschen hier angesiedelt. Auch unsere unzählig vielen Kulturarten haben fast alle ausländische Vorfahren. Ein Tipp für Rosenfans: Das größte Rosarium der Welt in Sangerhausen, weitere Informationen: europa-rosarium.de. Auf der Internetseite des Rosariums gibt es auch ausführliche Hinweise zur Pflege von Rosen im Garten. Mitte Juni ist die richtige Zeit für einen Besuch, dann öffnen sich dort an ca. 45000 Rosensträuchern, die zu 6500 Zuchtrasen und 500 Wildarten gehören, hunderttausende Blüten.
Rosen gehören zu den ältesten von Menschen kultivierten Pflanzen. Bei den alten Griechen waren Rosen wie bei uns heute das Symbol von Liebe, Anmut und Lebensfreude. In Ägypten begleiteten Rosen die Toten ins Jenseits. Die alten Germanen verehrten den rotblühenden Rosenbusch als Symbol des Feuers und damit verbunden des Weltunterganges. Die einzelne Rose war bei ihnen Sinnbild des Todes. Bei den Römern gehörten Rosen zu üppigen Feiern. Ganze Schiffsladungen von Rosenblüten wurden dazu aus Nordafrika herangeholt, damit zu Festgelagen reicher Römer Rosenblätter auf die Gäste rieseln konnten.
Später wurden dann Rosen angebaut, um das Rosenöl für die Herstellung von Duft- und
Aromastoffen zu verwenden. Im Mittelalter nutzten zum Beispiel Apotheker das Rosenöl, um einen
unangenehmen Geschmack mancher Arzneimittel zu überdecken. Bis zum ersten Weltkrieg gab es um
Miltitz herum, auch auf den Flächen, die heute zum Kulkwitzer See gehörten, riesige
Rosenfelder. Die Rosen wurden in Miltitz von der Firma Schimmel verarbeitet. Heute arbeiten auf
dem Gelände dieser Fabrik zwei Unternehmen, die beide Duft- und Aromastoffe herstellen. Rosen
werden in unserer Region aber schon lange nicht mehr zur Gewinnung von Duft- und Aromastoffen
angebaut. Seit nach dem ersten Weltkrieg die Bahnverbindungen auf dem Balkan sicherer und
schneller wurden, wird unser Rosenöl zum größten Teil aus Bulgarien bezogen. Durch das
sonnigere, wärmere Klima ist dort der Gehalt an ätherischen Ölen höher.
Auch wenn Rosen keine Dornen haben, zur Verwandtschaft gehören unsere bekanntesten Dornensträucher: Weißdorn und Schwarzdorn (auch Schlehe genannt). Schlehen gehören zu den Ausgangsarten, aus denen unsere Hauspflaumen gezüchtet wurden. Aber auch Äpfel, Birnen, Quitten, Pfirsiche, Kirschen und Aprikosen gehören zur Rosenverwandtschaft. In Vergessenheit geraten ist leider eine uralte Obstsorte, die Mispel, die früher auch bei uns häufig angebaut wurde. Auch der Vogelbeerbaum, von dem es zwei essbare Varianten gibt, gehört zur Familie der Rosengewächse. Zur Rosenverwandtschaft gehören auch etliche heimische Heil- und Gewürzkräuter wie der kleine Wiesenknopf (Biebernell), Blutwurz oder Frauenmantel. Zur selben Ordnung wie die Rosengewächse gehört auch die Familie der Steinbrechgewächse, zu denen Johannisbeeren und Stachelbeeren gehören. Deren Früchte sind übrigens echte Beeren und einige Wild- und Zierformen wachsen auch am See.
Mindestens 4/5 aller Sträucher am See gehören zur Rosenverwandtschaft. Ohne die
Rosengewächse sähe der See arg gerupft aus. Vielleicht lässt sich ja der neue Herr des Sees,
Herr Conrad, überzeugen, dass es auch seinen Geschäften gut täte, würde er den Zuchthauscharm
seiner Stacheldraht gekrönten Zäune mit Rosen und ihrer Verwandtschaft verstecken und die Wege
überall offen lassen, damit Blüten, Früchte und dort brütende Singvögel von möglichst vielen
Besuchern bewundert werden können.
Text: Dr. Leonhard Kasek, Fotos: Elke Göbel