Grün-As

»Politiker müssen Figur machen«

Seit 1999 sitzt Karl-Heinz Obser für die DSU im Leipziger Stadtrat. Als langjähriges Mitglied im Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau engagiert sich der 59-Jährige vor allem in der Stadtumbaupolitik. »Grün-As« unterhielt sich mit dem Grünauer über das Abrissvorhaben der Baugenossenschaft Leipzig, welches sich quasi fast vor seiner Haustür abspielen würde.

Sind Sie als Grünauer besonders sensibilisiert für Themen, die den Stadtteil betreffen?
Zugegebener Maßen sind die Ecken Leipzigs, mit denen ich persönliche Erinnerungen verbinde, für mich am interessantesten. Als Grünauer liegt mir mein eigenes Wohnumfeld natürlich am Herzen. Ich sehe die Probleme tagtäglich und nicht nur aus der Ferne.

Haben Sie darum auch eher als die Öffentlichkeit von den Abrissplänen der Baugenossenschaft Kenntnis gehabt?
Immerhin haben Sie bereits im Juli einen Brief an das Unternehmen gerichtet, in dem Sie eine Auskunft über die Zukunft des Wohnblocks Seffnerstraße 1 bis 19 erbaten. Zu diesem Zeitpunkt waren die Abrissabsichten noch nicht öffentlich. Es gab gewisse Hinweise auf einen eventuellen Abbruch. Im Gespräch mit einem Anwohner erfuhr ich, dass Neuzuzüge verhindert werden. Das hat mich sofort hellhörig gemacht.

Imagelink Wie hat die Baugenossenschaft auf Ihre Anfrage reagiert?
Gar nicht. Das fand ich schon sehr bezeichnend. Heute ist ja bekannt, dass ich genau die richtige Frage gestellt habe - nur der Zeitpunkt war unpassend. Nach der Mieterinformationsveranstaltung und dem Bericht in der Leipziger Volkszeitung haben Sie sich erneut an die Baugenossenschaft gewandt. Was wollen Sie damit erreichen? Zunächst wollte ich auf diesem Wege mein Befremden über derartige Unternehmenspraktiken äußern und bat, diese zu überdenken. Außerdem habe ich noch einmal darauf hingewiesen, wie wichtig diese Wohnanlage hinsichtlich der Stabilität des gesamten Komplexes ist.

Bild Wie wichtig ist sie denn Ihrer Meinung nach?
Zum einen muss man feststellen, dass es sich um eine völlig intakte Wohnscheibe handelt. Der als Abrissgrund angeführte Leerstand von 45 Prozent ist durch gezielte Maßnahmen - wie die Verhinderung von Neuzuzügen - selbst verursacht. Darüber hinaus bliebe die Liquidierung von 544 Wohnungen nicht ohne Folgen. So fürchten beispielsweise Gewerbetreibende und die im nahen Ärztehaus niedergelassene Mediziner um ihre Kunden beziehungsweise Patienten - folglich also um ihre Existenz.

Gewerbetreibende und Ärzte haben nun mit einer Unterschriftenaktion reagiert, der sich seit Mitte Oktober über 1000 Grünauer angeschlossen haben. Hat so ein Bürgerbegehren überhaupt Aussicht auf Erfolg oder ist der Abriss längst beschlossene Sache? Ich erinnere nur an die über 2500 Unterschriften, die gesammelt wurden, um den Abriss der Brackestraße zu verhindern. Genützt hat das damals nichts...
Das ist leider wahr. Generell möchte ich allerdings behaupten, dass es immer sinnvoll ist, sich zu positionieren. Ob diese Aktion von Erfolg gekrönt sein wird oder nicht, kann auch ich nicht abschätzen, aber man sollte auf jeden Fall nichts unversucht lassen. Resignierten Bürgern, die der Meinung sind, sie könnten ohnehin nichts ausrichten, gebe ich immer zu verstehen, dass Politiker wiedergewählt werden möchten...

Bild Es ist also nicht allein eine Angelegenheit der Baugenossenschaft?
Nein, auch die Politik spielt eine entscheidende Rolle. Darum ist es auch so wichtig, dass es in dem Unterschriftenaufruf nicht allein um einen Abrissstopp geht, sondern dass eine Neuauflage des Stadtentwicklungsplanes (STEP) gefordert wird. Zur Ratsversammlung am 15. November werde ich Oberbürgermeister Burkhard Jung fragen, wann mit einem aktualisierten STEP zu rechnen ist.

Was macht eine Aktualisierung aus Ihrer Sicht notwendig?
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich kaum noch jemand an die einstigen Vorgaben des STEP hält. Für die Grünauer, insbesondere die Bürger in WK 7 und 8, bedeutet diese Vorgehensweise, dass sie in der ständigen Furcht um ihren Wohnraum leben. Die Politiker müssen jetzt endlich mal Figur machen. Eine Aktualisierung würde den Betroffenen eine Perspektive aufzeigen und sie nicht im Ungewissen lassen. Das wäre auf jeden Fall ein positiver Aspekt.

Wie könnte man nun gerade im WK 8 allen Seiten gerecht werden?
Das ist schwierig. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Gelder lediglich für den Abriss fließen. Diese Fördermittelpolitik bedarf dringender Korrektur. Dann könnte der Stadtumbau wieder seiner Bezeichnung gerecht werden. Veränderung erzielt man eben nicht nur durch Abriss sondern auch oder vor allem durch Umgestaltung.
Interview: Klaudia Naceur

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