Von der Straße ins Leben
Projekt für alkoholkranke Menschen wird auf Grünau ausgeweitet
Die beiden oben stehenden Leserbriefe sind nur ein kleiner Beleg dafür, wie kontrovers die Debatte um das Problem alkoholkranker Menschen in der Öffentlichkeit geführt wird. In Grünau sind die sogenannten Trinkerstellen seit Jahren ein Thema. Anwohner und Passanten fühlen sich oft zu Recht belästigt, Polizei und Ordnungsbehörden sind machtlos, ein von vielen Bürgern herbeigesehntes Alkoholverbot an öffentlichen Plätzen ist nicht durchsetzbar und hätte das eigentliche Problem auch lediglich verdrängt. Hilfe verspricht nun jedoch ein, ab Juni auf den Stadtteil ausgeweitetes Projekt, das bereits seit zweieinhalb Jahren im Leipziger Westen erprobt wurde.
»Von der Straße ins Leben - Aufsuchende Straßensozialarbeit für alkoholkranke Erwachsene«
wurde vom Leipziger Suchtzentrum entwickelt
und zunächst in Lindenau, Plagwitz und Leutzsch angeboten. Das Modellprojekt finanzierte sich über europäische Fördermittel, die Ende Mai allerdings
auslaufen werden. Ab Juni springt die Stadt dafür ein und sorgt mit rund 50.000 Euro zunächst bis Jahresende in erster Linie dafür, dass die Personalkosten
für die beiden Sozialarbeiter gestemmt werden können.
»Das Votum der Kommune war einhellig - das liegt natürlich auch daran, dass sich gewisse Erfolge unserer Arbeit einstellten«
, erzählt
der Leiter des Suchtzentrums Holger Herzog nicht ohne Stolz. Als Erfolg wertet er unter anderem 40 Prozent weniger Beschwerden und: »beim
Frühjahrsputz haben 35 Leute unserer Klientel mitgemacht und ihr eigenes Umfeld gesäubert. Das ist doch toll.«
Von den Fortschritten in West
profitiert nun Grünau, denn nur weil sich dort einiges eingespielt und entspannt hat, können die Streetworker ihren Bereich um die hiesigen
»Problemstellen«
erweitern.
Die Mitarbeiter des Suchtzentrums wissen schon lange, wo es brennt im Stadtteil: »Wir betreten hier kein Neuland«
, so Herzog.
»Wir waren schon vor Ort, haben Kontakte geknüpft und auch die ersten Klienten in Betreuung.«
Polizei, Ordnungsamt und
Quartiersmanagement halfen zusätzlich mit nützlichen Hinweisen. Besonders akut und darum auch an erster Stelle auf der Besuchsliste der Streetworker: die
Trinkerstelle am PEP. Weitere sind der KONSUM Stuttgarter Allee und Eingang Allee-Center. Die Plätze am KOMM-Haus und am Rondell im WK 2 werden als weniger
problematisch eingestuft - »Was nicht heißt, dass wir dort nicht auch ab und zu vorbeischauen«
.
»Vorbeischauen«
ist dabei ein Begriff, der die Arbeit der Sozialarbeiter nicht annähernd beschreibt, wie sich Holger Herzog gleich
selbst berichtigt: »Man darf sich das nicht so vorstellen, dass wir nur 'gut zureden'. Wir fordern auch. Zum Beispiel ein gewisses Maß an
Mitwirkung und Willen.«
Doch das setzt ein enormes Vertrauen voraus, welches erst erworben werden muss. »Das ist das Schwierigste an dieser Arbeit«
, gibt
Herzog zu. »Mit den Leuten ins Gespräch kommen, ihre ganz individuellen Problemlagen erörtern und dann gezielt Hilfe anbieten. Das ist zwar sehr
zeitauf wendig und braucht jede Menge Fingerspitzengefühl, aber nur so kann es funktionieren.«