Alter Name – neues Gesicht
Fahrrad-Wehner übergibt sein Geschäft an Nachfolger
So richtig können sie es noch gar nicht glauben, aber es steht fest: Am 30. Oktober werden Sabine und Klaus Wehner das letzte Mal die Tür ihres Fahrrad-Geschäftes in der Stuttgarter Allee aufschließen.
31 Jahre leiteten sie das kleine Familienunternehmen. Nun werden sie es ihrem Nachfolger übergeben. Bei aller Freude über den wohlverdienten Ruhestand, blutet dem 72-jährigen gelernten Werkzeugmacher und
Flugzeugmechaniker das Herz, wenn er ans Aufhören denkt: »Nach einer so langen Zeit ist das natürlich nicht einfach«
, sagt er.
Seine zehn Jahre jüngere Frau sieht es ein wenig entspannter. Ihre Devise für die kommende Zeit: »Alemann und Söhne!«
, lacht sie und man ahnt, dass es auch ihr nicht so leicht fällt.
Als das Grünauer Paar 1985 beschließt, eine Reparaturwerkstatt für Fahrräder und Mopeds zu eröffnen, war das ein eher pragmatischer Schritt. Klaus Wehner wollte oder musste sich beruflich verändern. Für ihn gab es keine Perspektive im Betrieb der Agrarflug Leipzig. Seine Frau war Steno-Phonotypistin im selben Unternehmen und stürzte sich gemeinsam mit ihrem Mann ins Abenteuer Selbstständigkeit. Zu DDR-Zeiten alles andere als vergnüglich.
Doch was tun mit der neuen Freiheit? »Fahrräder waren bis zu diesem Zeitpunkt keine Leidenschaft für mich«
, konstatiert Wehner. Aber deren Reparatur damals ein Nischengeschäft und
darüber hinaus am ehesten für einen Laien erlernbar. Die Konzession war bemerkenswert schnell beschafft und Wehners konnten loslegen: Zunächst im längst abgerissenen Hochhaus an der Grünauer Allee.
Dort hätte man auch ein ziemlich großes Lager im Keller gehabt, erinnert sich der rüstige Ladeninhaber an die Anfänge. Schließlich musste man ja vorsorgen. »Wenn es eben an einem Tag Speichen gab,
hat man zugegriffen. Man wusste ja nicht, wann wieder welche angeboten werden«
, berichtet er von der einst schwierigen Versorgungslage. Mit der Wende waren zumindest diese Nöte Geschichte. Doch es
traten neue auf. Konkurrenz zum Beispiel.
Vier Fahrrad-Händler haben seit 1989 versucht, in Grünau Fuß zu fassen. Sie sind alle nacheinander wieder verschwunden und Sabine Wehner glaubt auch den Grund dafür zu kennen: »Man kann mit
Fahrrädern zwar Geld verdienen, aber keineswegs reich werden.«
Wehners sind bescheiden geblieben und haben sich am Markt behauptet. Doch längst ist das Paar, welches seinen Laden 1993 in die
Stuttgarter Allee verlegte, in der Realität von Großhändlern wie Stadler oder Lucky Bike und Online-Shops angekommen. Fahrzeuge würden sie kaum noch verkaufen. Kerngeschäft sei die Reparatur.
Während der Saison von März bis Oktober ist der Werkstattbereich der 150 Quadratmeter großen Räume voller Räder und Klaus Wehner gerät ins Schwitzen. Reifen wechseln, Speichen spannen, Bremsen, Schaltung
einstellen, Rundum-Check – unzählige Reparaturen und einige davon haben es in sich, verrät der Ruheständler in spe. Doch: »Geht nicht, gibt's nicht. Manchmal ist man völlig verzweifelt, weil man
partout keine Lösung für ein Problem findet und dann hat man doch die rettende Idee. Das ist die große Kunst.«
Langjährige Erfahrung ist dabei unbedingt von Vorteil. Erfahrung, die der scheidende Geschäftsinhaber nun an seinen Nachfolger weitergeben möchte. »Ich werde wohl zumindest am Anfang noch oft vor
Ort sein. Helfen, Tipps und Orientierung geben.«
Ein schrittweiser Abschied vom Laden, der im Übrigen weiterhin den Namen Wehner tragen wird und vielleicht deswegen nicht ganz so schwer fällt.