Die Hain-Schwebfliege
Insekt des Jahres 2004
Schwebfliegen sind nützliche Insekten. Ihre Larven, die den Maden der allseits bekannten Schmeißfliegen sehr ähnlich sehen, fressen Blattläuse. Aufgrund ihrer schwarz-gelben Warnfarbe wird die Hainschwebfliege, wie andere Schwebfliegenarten auch, auf den ersten Blick häufig mit Wespen verwechselt. Sie ist aber völlig ungefährlich und lebt nur von Nektar und Pollen. Wespen und Schwebfliegen zu unterscheiden ist aber gar nicht so schwer: Schwebfliegen haben kurze Fühler, die Fühler der Wespen sind lang und in der Mitte um etwa 90 Grad abgeknickt. Schwebfliegen haben einen ziemlich platten Hinterleib, bei Wespen ist der letzte Körperabschnitt fast rund. Es lohnt sich genau hinzusehen, da Schwebfliegen weder einen Giftstachel noch Mundwerkzeuge zum Beißen haben.
Die Wespenähnlichkeit ist ein Schutz vor Insektenfressern. Wenn die schon einmal unangenehme Bekanntschaft mit dem Giftstachel einer Wespe gemacht haben, sind sie gegenüber der gelb- schwarzen oder gelb-roten (Hornissen) Warnfarben vorsichtiger und die Schwebfliegen gewinnen Zeit zu fliehen. Die Nachahmung von Warnfarben von ungenießbaren, giftigen oder wehrhaften Tieren durch harmlose nennt man Mimikry. In Deutschland gibt es insgesamt etwa 450 Schwebfliegenarten, rund um den Kulkwitzer See schätzungsweise 70 bis 80. Davon leben ein Viertel als Larven von Blattläusen. Die Weibchen suchen ganz typisch für Schwebfliegen nach Blattlauskolonien, indem sie vor der Pflanze schweben, um dann die ein Millimeter langen Eier abzulegen, insgesamt über Tausend.
Aus den weißlichen Eiern schlüpfen die Larven, die sich sofort auf die Suche nach
Blattläusen machen. Da sie blind sind, suchen sie ihre Beute, indem sie mit dem Vorderende hin
und her pendeln. Mit ihren stilettartigen Mundwerkzeugen stechen sie zu und saugen die Läuse
aus. Bis zur Verpuppung braucht eine Larve etwa acht bis elf Tage, je nach Temperatur. Den
Larven fehlt neben den Beinen auch ein deutlich abgesetzter Kopf. Sie sind weißhäutig und
transparent und schimmern weißlich oder grünlich. Man muss schon Glück haben und ein geübtes
Auge, um sie auf den Blättern zu erkennen. Die Maden anderer Schwebfliegenarten sind zum Teil
grün oder bunt und ähneln dann auf den ersten Blick kleinen Raupen, die von ahnungslosen
Kleingärtnern oft als »Schädlinge«
getötet werden.
Die Hain-Schwebfliegen überwintern als erwachsene Tiere. An milden Wintertagen kommen sie sogar aus ihren Verstecken im Laub oder schützenden Ritzen hervor. Sie tauchen auch mit den ersten Frühjahrsblühern in größerer Zahl auf und sind dann an Winterling, Huflattich, Kornellkirsche und vor allem an Weidenkätzchen zu finden. Diese Tiere sind immer die begatteten Weibchen. Aber in manchem Frühjahr lassen sich kaum Schwebfliegen entdecken, weil der Winter zu hart war. Das kommt aber durch unsere zunehmend milder werdenden Winter immer seltner vor. Der Winter 2003/04 war jedenfalls nicht kalt genug, um überwindernde Insekten ernsthaft zu dezimieren.
Ein Teil der Hain-Schwebfliegen wandert wie Zugvögel im Spätsommer nach Süden und vermehrt sich dort. Sie können durchaus 25 Kilometer pro Stunde zurücklegen. Die nächste Generation kommt im Frühjahr wieder zurück.
Die erwachsenen Insekten benötigen Blüten, deren Nektar und Pollen offen dargeboten werden, denn sie haben nur einen kurzen Rüssel. Ringelblumen, Löwenzahn, Pfefferminze, aber auch blühende Petersilie und andere Doldengewächse wie wilde Möhren, Wiesenkerbel oder wilde Pastinaken werden von Schwebfliegen gerne aufgesucht. Ein Gärtner, der die Nützlinge fördern möchte, um die Blattläuse im Zaum zu halten, sollte diese Pflanzen im Garten haben. Auch auf Balkonpflanzen habe ich schon oft Maden von Schwebfliegen gefunden. Intensiver Einsatz von Insektenbekämpfungsmitteln tötet die Nützlinge, die sich von den Insekten ernähren, die die Gärtner plagen.
Während sich aber die unerwünschten Plagegeister sehr schnell von so einer Giftattacke erholen
und bald wieder massenhaft über alle Pflanzen herfallen, brauchen Nützlinge wie die
Schwebfliege viel länger, um sich wieder zu vermehren. Nach einer Giftattacke können sich die
Schädlinge daher für längere Zeit ungestört vermehren. Zurückhaltung mit chemischen
Insektenbekämpfungsmitteln ist daher im Interesse jedes Gärtners.
Dr. Leonhard Kasek