9 Monate Grünau
Liebe Leserinnen und Leser, ich weiß nicht, ob Sie sich daran erinnern können… Meinen ersten Artikel im Grün-As begann ich mit den Worten: An mich werden Sie sich wohl gewöhnen müssen. Nun, ich hoffe, Sie haben sich nicht zu sehr an mich gewöhnt, denn meine Zeit ist um. Das klingt jetzt theatralischer als es eigentlich ist, aber ich beende meine ABM-Stelle mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Und ein wenig erinnere ich mich an meine eigene Großmutter, wenn ich mich sagen höre: Wie die Zeit vergeht!
Ich hätte es selbst kaum für möglich gehalten, dass neun Monate so schnell vorbei sind. In dieser Zeit sind mir Grünau und seine Bewohner näher gekommen, habe ich Menschen kennen gelernt, die mich und meine Vorstellungen bereichert haben. Das Engagement der Grünauer für ihr Wohnumfeld empfand ich anfänglich als wunderlich und leicht irritiert wurde ich nicht müde, immer wieder zu betonen, dass ich KEIN Grünauer bin. Dieser Stadtteil, der - wie ich zugeben muss - seit meiner Kindheit bei mir nur Ablehnung hervorrief, hat mich in seinen Bann geschlagen. So fieberte ich förmlich mit, als es um die drohende Schließung des Max-Klinger- Gymnasiums ging, fing an, jede Platte zu betrauern, die zum Abriss frei gegeben wurde und begann ehrliches Interesse für die Fauna, Flora und Anwohner des Kulkwitzer Sees zu entwickeln.
Verwundert wird sich jetzt der ein oder andere fragen, ob es denn Nichts auszusetzen gab. Doch, gab es! Ich gestehe, dass es Momente gab, in denen ich Grünau verflucht habe. Und zwar immer dann, wenn ich mit Stadtplan bewaffnet, schwitzend im Auto saß und mich durch den wohl beispiellosen Straßendschungel der Wohnkomplexe kämpfte, wüste Beschimpfungen über die Herren Stadtplaner auf den Lippen. Später änderte ich meine Taktik und nahm mir die Zeit, vorher genauestens zu recherchieren, wie ich zu einer bestimmten Adresse gelangen kann… es glückte nicht immer, aber die Zahl der Verspätungen reduzierte sich deutlich. Mittlerweile bekomme ich auch keine Panikanfälle mehr, wenn man mich nach dem Weg fragt.
Bedanken möchte ich mich bei den vielen Leuten, die mir halfen, Zusammenhänge zu verstehen,
mich auf Probleme aufmerksam machten, konstruktive Kritik übten oder mir einfach »nur«
zu
verstehen gaben, dass die Arbeit, die ich machte, nicht am Leser vorbei ging. Neun Monate
Grünau-live konnten mich zwar nicht zum Umzug hierher bewegen (obwohl das vielleicht nach
dieser Lobhymne zu erwarten gewesen wäre), wohl aber hat sich mein Verhältnis zu Deutschlands
zweitgrößter Plattenbau-Siedlung positiv gewandelt und ich wünsche Grünau und seinen Bewohnern,
dass innovative Projekte Bestand haben und Missstände beseitigt werden sowie die Solidarität
untereinander weiterhin wächst. Abschließend die Frage: Werden wir uns noch einmal wiedersehen?
Wer weiß… es bleibt spannend!
Ihre Klaudia Naceur