Fremde am See
Der Mink
Am Kulkwitzer See leben vier Säugetierarten, die aus anderen Erdteilen kommen: Mink, Bisamratte, Waschbär und Marderhund. Alle vier sind Pelztiere, die ursprünglich in Farmen gehalten wurden. Teilweise sind sie aus den Farmen entwichen, teilweise bewusst in freier Natur angesiedelt worden.
Der Mink ist der amerikanische Vetter unseres heimischen Nerzes. Die Nerze sind allerdings im Leipziger Raum schon vor über 100 Jahren ausgestorben. Aufmerksam auf den Mink wurde ich durch einen
Arbeitskollegen, der mir versicherte, er hätte in der Elster bei Lützschena einen Fischotter gesehen. Fischotter gibt es aber in der Leipziger Region leider schon lange nicht mehr. Was also hat mein Kollege
gesehen? Bald darauf sah ich im Karl-Heine-Kanal so einen »Fischotter«
: es war ein Mink. Er ist etwa mardergroß, also deutlich kleiner als der Fischotter und lebt wie sein europäischer
Vetter, der Nerz, am Wasser, schwimmt und taucht ausgezeichnet und hat zwischen den Zehen sogar Ansätze von Schwimmhäuten.
Er frisst Würmer, Insekten, Fische, Wasserratten und plündert auch Nester von Wasservögeln. In seiner Heimat Nordamerika sind seine Hauptbeute Bisamratten, die der etwas kleinere heimische Nerz nicht angreift. Vor allem deshalb wurde er in einigen Gegenden Deutschlands bewusst angesiedelt. Dazu kommen freigelassene und entlaufene Farmtiere. Vor allem in den letzten 10 Jahren hat sich im Leipziger Raum gut vermehrt und kommt nun beinahe überall vor, wo es genügend Wasser mit naturnahen Ufern gibt, selbst am Karl-Heine-Kanal mitten in der Stadt.
Aber nicht alle Naturschützer sehen den Nerz gern. Großen Schaden unter den Wasservögeln richtet er zwar nicht an, aber er hat schon größere Bestände von teilweise vom Aussterben bedrohten Muscheln schwer dezimiert. Wie dem auch sei, wir werden mit den anpassungsfähigen Gesellen leben müssen. Der Mink ist vorzugsweise Nachts und in der Dämmerung aktiv, mit etwas Glück kann man aber auch tagsüber welche beobachten.
Bisamratten und Nutrias
Seine Hauptbeute, die Bisamratten, stammen ebenfalls aus Nordamerika. Sie wurden vor über 100 Jahren in der Nähe von Prag ausgewildert, um den Bestand an Pelztieren zu vergrößern. Da sie bei uns damals keine natürlichen Feinde hatten, haben sie schnell einen Siegeszug über ganz Europa angetreten. Sie fressen Pflanzen, leben am Ufer inzwischen aller größeren Gewässer und bauen unterirdische Baue mit einem weitverzweigten Röhrensystem.
Die Eingänge liegen unter der Wasseroberfläche. Vor allem durch ihre Grabarbeiten richten sie großen Schaden an. So werden zum Deiche in kurzer Zeit völlig durchlöchert und taugen dann nicht mehr zum Schutz
vor Hochwasser. Sie werden daher verfolgt, aber bisher ohne durchgreifenden Erfolg. Erst in den letzten Jahren ist ihr Bestand dank des Minks zurückgegangen. Am Kulkwitzer See lassen sich die tagaktiven Tiere
an ruhigen bis zum Wasser pflanzenbewachsenen Uferbereichen gut beobachten.
Noch nicht am Kulkwitzer See angekommen sind die großen Vettern der Bisamratten, die Nutrias, auch Sumpfbiber genannt. Die kommen aus subtropischen Gebieten Südamerikas, aber unsere milden Winter machen ihnen nicht viel aus. Sie wurden in der DDR in Farmen gezüchtet, wegen ihres Felles, aber auch wegen des Fleisches. Als das nach dem Kollaps der DDR nicht mehr lohnte, wurden viele Tiere freigelassen. Um Leipzig gibt es sie an der Parthe, an der Pleiße und ihren Nebenflüssen und an der Elster flussabwärts von Leipzig. Irgendwann werden sie auch den Kulkwitzer See erreichen.
Sie sind deutlich größer als Kaninchen und an ihren kräftig orange gefärbten Nagezähnen leicht zu erkennen. Scheu sind sie nicht und oft kommt man bis auf 1 m an sie heran. Viele Bürger füttern die attraktiven Pflanzenfresser daher. Leider! Nutrias durchlöchern Hochwasserschutzbauten noch schlimmer als Bisamratten und richten daher großen Schaden an. Da sie inzwischen in Orte eingewandert sind (z.B. längs der Saale in Halle) wo sie nicht gejagt werden können und zum Teil von Spaziergängern heftig gegen Jäger verteidigt werden, werden wir wohl auch auf Dauer mit diesen Nagern auskommen müssen und es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit bis sie am Kulkwitzer See mit Schwänen und Blesshühnern um das Brot der Spaziergänger streiten.
Waschbär und Marderhund
Der nächste Emmigrant, auch ein Nordamerikaner, ist der Waschbär. Wie der Nerz wurde er teils mit Absicht ausgewildert, teils ist er aus Farmen entwichen. Seit den 20er Jahren lebt er wild in Deutschland, inzwischen gibt es ihn überall. Das kleine Raubtier stand im Ruf vor allem Vögel schwer zu dezimieren. Deshalb wurde er heftig verfolgt, ohne Erfolg. Er ist nachtaktiv und baut seine Nester vorzugsweise in hohlen Bäumen, wo die nicht vorhanden sind, begnügt er sich aber auch mit Dachböden und selbst in Kaminschornsteinen, die im Sommer nicht betrieben wurden, haben die geschickten Kletterkünstler schon ihre Wochenstube eingerichtet.
Die plump wirkenden Waschbären können ausgezeichnet klettern, besser als Katzen. Ihre Zehen sind frei beweglich und so können sie sich mit ihren starken Krallen selbst in kleinen Mauerfugen festkrallen und sogar nicht zu glatte senkrechte Wände ersteigen. Den erwarteten Schaden haben sie nicht angerichtet, selbst im Taunus wo sie sehr häufig sind und bis in die Zentren der Städte vordringen, haben sie Vögel nicht nachweisbar dezimiert. Sie sind Allesfresser mit einer Vorliebe für Erdbeeren und Himbeeren, auch Äpfel und anderes Obst ernten sie gern. Bei den Kleingärtnern machen sie sich damit nicht beliebt, obwohl sie auch große Mengen an Schnecken vertilgen (leider vor allem die harmlosen Weinberg- und Schnirkelschnecken, die großen Nacktschnecken schmecken bitter).
In Ortschaften durchwühlen sie gern Abfälle und Biotonnen. Eigentlich sind Waschbären Einzelgänger. Aber dort wo es genug Futter gibt und vor allem wo Teamwork hilfreich ist, um an Futter heranzukommen, z.B. eine Biotonne umzukippen, finden sich auch schnell kleine Gruppen zusammen. Da sie vorwiegend nachtaktiv sind, sind sie schwer zu beobachten, obwohl sie zumindest dort, wo sie nicht verfolgt werden, nicht gerade scheu sind.
Der letzte Zuwanderer kommt aus dem fernen Osten vom Amur. Der Marderhund, etwa so groß wie sein Verwandter, der Fuchs, kommt aus dem Amurgebiet. Er wurde in den 20er Jahren wegen seines Pelzes in der Ukraine angesiedelt. Doch in der Ukraine sind die Winter nicht so hart wie in seiner Heimat und der Pelz der Ukrainer taugte nicht viel. Man verlor das Interesse an den Tieren. Die konnten sich ungestört ausbreiten und erreichten nach dem zweiten Weltkrieg Deutschland. Inzwischen haben sie Frankreich erreicht. Bei uns gibt es sie überall, aber häufig sind die scheuen Gesellen nirgendwo und selbst für Profis ist es ein Glücksfall, wenn sie einen zu Gesicht bekommen. Marderhunde sind Allesfresser. Schaden richten sie keinen an, schon weil sie nicht häufig sind.
Der Biber
Einen heimischen Gesellen will ich noch erwähnen, der vor 50 Jahren fast ausgestorben war, sich aber seitdem wieder gut vermehrt hat. Der Biber hat im Osten Machern erreicht und rückt flussaufwärts an der Saale vor. Irgendwann in den nächsten 15 bis 20 Jahren könnte er auch den Kulkwitzer See erreichen. Allerdings sind die großen Tiere (ein ausgewachsener Biber wiegt das doppelte eines Rehs) nicht ganz ohne. Sie fällen Bäume, um Rinde und Holz zu fressen. Dabei bevorzugen sie Weichholzarten wie Weiden und Pappeln, aber auch Apfelbäume wissen sie zu schätzen.
In Dessau habe ich im Stadtpark aber auch Hartholzarten wie Eichen und Hainbuchen gesehen, die von den Bibern mangels weicherem Holzes, das sie längst vertilgt hatten, gefällt worden waren. Deshalb und weil die äußerst intelligenten Tiere auch schon mit ihren Dämmen ganze Dörfer, die an kleineren Fließgewässern liegen, über Nacht unter Wasser gesetzt haben, haben sie nicht nur Freunde und es mehren sich Rufe, ihnen Einhalt zu gebieten.
Geschieht dies nicht oder wenigstens nur sanft, indem man sie vertreibt, wenn sie Schaden
anrichten, werden sie in absehbarer Zeit auch Leipzig und den Kulkwitzer See erreichen. Ich
jedenfalls würde mich darüber freuen, auch wenn meine Söhne schon witzeln, dass die Biber dann
wohl unser Holzhaus umlegen werden, da der Zschampert, an dem wir wohnen, den Tieren künftig
mindestens als Wanderweg dienen könnte.
Dr. Leonhard Kasek