Feiertag?!
Liebe Leserinnen und Leser, ich weiß nicht, ob Sie sich daran erinnern können, aber im Oktober hatten wir immer einen ganz besonderen Geburtstag zu feiern. Wer jetzt meint, ich spreche das 14-jährige Bestehen unserer jungen, alten Bundesrepublik Deutschland an, der irrt gewaltig. Ein so unrunder Ehrentag ist ein Editorial nicht wert - aber wie wär’s mit einem offiziell nicht mehr feierungswürdigen 55.?
Die Diskussion entfacht sich schon allein daran, dass man überlegt, ob man einen solchen Tag feiern kann, obwohl das Geburtstagskind nicht mehr lebt. Ich meine: Man kann! Immerhin begehen wir ja auch seinen Todestag. Und Todestage im Allgemeinen und dieser insbesondere sind bei weitem nicht so lustig. In Zeiten einer gnadenlosen Ostvermarktung, eines Marken-Revivals ohne Gleichen und dem unüberhörbaren Ruf einiger Ost- aber auch West(!)-deutscher nach der Wiederbelebung des Antifaschistischen Schutzwalls - kurz Mauer - sollte der 7. Oktober doch zünftig begangen werden.
Apropos zünftig! 55 ist eine Schnapszahl und da in der DDR auch gern mal was getrunken
wurde, stoßen wir mit einem »Kurzen«
(Nordhäuser Doppelkorn) und einer
»Molle«
(ein kleines Bier) an - das nenn’ ich eine wahrlich gelungene
Wiederbelebung der Kultur à la GDR. Kinder, wie die Zeit vergeht - 14 Jahre wie im Flug. Und
was hat sich nicht alles getan in dieser - gemessen an der Menschheitsgeschichte - kurzen Zeit?
Gemäß den Worten unseres Altkanzlers: »Es wird Niemandem besser gehen, aber den
Meisten schlechter…«
Oder war’s vielleicht doch anders herum? Nein, ich
will nicht unken und schon gar nicht polarisieren, sondern eher nüchtern bilanzieren!
Es gibt auch wirkliche Verbesserungen zu verzeichnen. Beispielsweise sah ich unlängst einen 12-zylindrischen Audi - zumindest zu Besuch - in Grünau (nicht zu verwechseln bitteschön mit unserem treuen 2-zylindrischen Begleiter, der uns bis an die Grenzen des Schwarzen Meeres gebracht hat). Unser Stadtteil grünt - dank der neu angelegten Rasenflächen - förmlich an jeder Ecke und vergessen wir nicht die lustigen spontanen Zusammenkünfte einiger Bürger vor den Kaufhallen - Letzteres wäre in der DDR undenkbar gewesen! Da wurde nämlich - ich erinnere mich genau - unerwünschte Grüppchenbildung vom zuständigen Abschnittsbevollmächtigten (ABV) unverzüglich aufgelöst. Zu guter Letzt sei auch noch die Presse mit ihrer wiedererlangten Freiheit erwähnt. Diese ist nämlich nicht mehr dazu verpflichtet, angeordnete Termine wahrzunehmen, sondern kann mithin eigenverantwortlich Prioritäten setzen und tut dies auch.
So wie man in unserer heutigen Zeit Gott-sei-Dank frei wählen darf (obwohl das hart
erkämpfte Wahlrecht momentan kaum genutzt wird), so kann auch jeder für sich entscheiden, ob
und wie er einen Geburtstag feiert… Aber alle, die sich eine Wiedergeburt des
sozialistischen Teil Deutschlands wünschen, möchte ich an dieser Stelle fragen: Wollen Sie
allen Ernstes wieder in Boxer-Jeans gekleidet rote Fahnen tragen? Wenn Sie diese, zugegeben,
provokative Frage guten Gewissens mit »Ja«
beantworten können, dann habe ich
DEN ultimativen Tipp: Im November steigt im KOMM-Haus die alljährliche Ossi-Party und Sie sind
herzlich eingeladen!
Ihre Magda