Demonstrationsstreik
Der vergessene Generalstreik am 12.11.1948
Im Juni 1948 gab es in den drei Westzonen Deutschlands eine Währungsreform mit Einführung der »Deutschen
Mark«
und Eingriffen in den Arbeitsmarkt: ein Lohnstopp wurde verfügt und die Preiskontrollen aufgehoben. Dafür
verantwortlich, und im Zentrum der Kritik, stand Ludwig Erhard, der führende Mann im Wirtschafts- und Verwaltungsrat der
Westzonen und spätere Bundeskanzler, und seine Politik, die später »soziale Marktwirtschaft«
genannt
wurde.
Nach zahlreichen kleineren Streiks und Protestaktionen kam es am 28.Oktober 1948 in Stuttgart (damals amerikanische Besatzungszone) zu einem Arbeiteraufstand, verbunden mit schweren Unruhen. General Clay von der US-Army lies daraufhin Panzer auffahren, trieb die demonstrierenden Arbeiter mit Tränengas auseinander und verhing eine Ausgangssperre.
Die Gewerkschaften riefen deshalb für den 12. Novemer 1948 zu einem »Demonstrationsstreik«
auf.
Generalstreik wollte die Gerwerkschaften den Ausstand nicht nennen, den dieser wurde in der französischen Besatzungszone
einfach verboten. In den beiden anderen Besatzungszonen durfte der Streik stattfinden, jedoch keinerlei Kundgebungen,
Versammlungen, Zusammenkünfte, so die Auflagen der beiden Militärgouverneure.
Am 12.11.1948 beteiligten sich dann insgesamt 9 Millionen Arbeiter und Angestellte aus Industrie, Handwerk, Handel und
Verkehr an dem 24-stündigen Ausstand. Das waren 72 Prozent der damals Beschäftigten. Das Ziel des »stillen
Streiks«
wurde übrigens nicht erreicht. Ludwig Erhard hatte die Westmächte im Rücken.
Der größte Streik der Nachkriegszeit wird in der offiziellen Geschichtschreibung der später gegründeten Bundesrepublik
bis heute recht stiefmütterlich behandelt, ganz im Gegensatz zu den Geschehnissen um den 17. Juni 1953 in der
ehemaligen DDR.
Lutz Rodenhauser