Wenn die Großen mit den Kleinen…
Klinger-Schüler beteiligen sich am Vorlesetag
Freitagmorgen 8.25 Uhr in der 85. Grundschule. Im Zimmer 115, dem Klassenzimmer der 2a ist es ungewöhnlich still. Und auch Klassenleiterin Doris Schiefer steht nicht wie gewohnt vorne an der Tafel, sondern sitzt entspannt an ihrem Lehrertisch. Den Unterricht übernehmen heute andere für sie. Vivien Gradehand und Oliver Haas - beides Schüler der 12. Klasse an der Max-Klinger-Schule - haben es sich vor den gespannt wartenden Mädchen und Jungen auf zwei Stühlen bequem gemacht. Hefte und Bücher bleiben in den Ranzen der Steppkes. Denn heute ist Vorlesetag.
»Wisst ihr, wie Eichhörnchen aussehen und was sie fressen?«
, beginnt der 17-jährige Oliver. Sofort
schnellen die Arme der Kinder in die Höhe. Natürlich wissen die Zweitklässler das und noch viel mehr. Dass sie klettern
können, Krallen haben und so eine komische Krankheit … »Tollwut, richtig«
, ergänzt Oliver und
beginnt mit seiner Geschichte, die von zwei Eichhörnchen handelt. »Schwubbel und Felix«
- eine Parabel,
die witzig und lehrreich zugleich ist. Die Kleinen lauschen gespannt, kleben dem Gymnasiasten förmlich an den Lippen, bis
er das Buch zuklappt.
Vivien kennen die Kinder schon vom vorigen Jahr. Diesmal hat sie ein Buch von Astrid Lindgren auf den Knien -
»Weihnachten in Bullerbü«
. Während ihr »Kollege«
mit einer Schatzkiste voller
Gummibärchen durch die Reihen geht und die Mädchen und Jungen sich bedienen können, beginnt Vivien mit der Geschichte von
Lasse, Bosse, Kerstin und wie sie noch alle heißen.
So hören die Zweitklässler nicht nur eine nette Geschichte, sondern erfahren ganz nebenbei, wie in Schweden Weihnachten begangen wird. Vor den Kindern liegt ein Blatt Papier und sie beginnen zu malen. 45 Minuten können verdammt kurz sein. Als es zur Pause läutet, möchte das keiner so richtig wahrhaben. Vivien und Oliver werden regelrecht belagert, Fotos werden gemacht und keiner will die Großen gehen lassen.
Doris Schiefer übernimmt wieder das Zepter. »Sehr schön haben die beiden das gemacht«
, sagt sie.
Oliver ist auch begeistert: »Nach dem Erlebnis, könnte ich mir sogar vorstellen, ein Pädagogik-Studium zu
beginnen.«
Und Vivien meint, dass es toll sei, die Grundschulzeit für sich selbst noch einmal aufleben zu lassen.
Feierabend haben sie an diesem 18. November, dem bundesweiten Vorlesestag, der vor zwei Jahren ins Leben gerufen wurde,
aber noch nicht. Denn jetzt wird es im Klassenzimmer der 4a ruhig und Vivien und Oliver nehmen vorne Platz.
kmn
Hintergrund der Initiative: Kindern wird immer weniger vorgelesen. Ein Viertel aller Zehnjährigen in Deutschland kann nicht richtig lesen, fast die Hälfte nimmt nie ein Buch zum Vergnügen in die Hand. DIE ZEIT und die Stiftung Lesen möchten mit ihrer gemeinsamen Initiative das Vorlesen und Erzählen in Deutschland wieder populär machen. Gemeinsam mit dem Sponsor Deutsche Bahn AG sollen der frühzeitige Kontakt mit Büchern und die Lust am Lesen gefördert werden. Über 50 Schüler der zehnten bis zwölften Klassen des Max-Klinger-Gymnasiums beteiligten sich in diesem Jahr an der bundesweiten Aktion. Sie lasen für Grundschüler in acht Einrichtungen.
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