Grünau feierte 3 »tolle Tage«
Gut einen Monat ist es her, da war der Name Grünau in aller Munde. Da stand das Leipziger Randgebiet
im Mittelpunkt öffentlichen Interesses, da flimmerten unzählige Berichte im regionalen TV und wurden
Grünauer und ihre Erinnerungen in Deutschlands größtem Boulevardblatt vorgestellt. Anlass für die
ausnahmsweise durchweg positive Berichterstattung war der 30. Geburtstag des jungen Stadtteils.
Lange vorher wurde von Amts wegen und an der Basis überlegt, wie man ein solches Jubiläum dem Anlass
entsprechend begehen könnte, wurden Ideen gesammelt und wieder verworfen, wurde um Gelder
gefeilscht und Zuständigkeiten diskutiert, bis man sich letztlich einigen und die Party steigen konnte.
Der geschichtsträchtige 1. Juni, der eigentliche Geburtstag Grünaus, war zunächst den kleinen
Stadtteilbewohnern vorbehalten.
Ausgelassen feierten diese nicht nur Geburts- sondern auch ihren Kindertag. Während es auf der Stuttgarter Allee mit Bambini-Lauf, Rudergeräten und Torwand eher sportlich zuging, schickten die Schüler der 80. Grundschule am Grundsteindenkmal ein Meer bunter Luftballons mit Grüßen aus Grünau in die Lüfte - in der Hoffnung, sie mögen weit fliegen und die Menschen überall wissen lassen, dass hier gefeiert wird.
Einen Tag später am 2. Juni, wurde es dann offiziell. Die alljährliche Eröffnung des Grünauer Kultursommers
in der Pauluskirche bot gleichzeitig den Rahmen für einen Festakt, bei dem der dreißigjährigen
Geschichte des Stadtteils gedacht, Ein- und Ausblicke gegeben und engagierte Grünauer geehrt
wurden. Eine gelungene Veranstaltung, die zunächst vom Ökumenischen Kinder- und Jugendchor eingeleitet
wurde. Die jungen Sänger und Schauspieler begeisterten die Gäste als sie zeigten, wie spielerisch
leicht es sein kann, eine Stadt zu bauen. Dass es einst bei der Entstehung Grünaus nicht ganz so
unproblematisch war, erfuhren die Gäste im Anschluss von einem, der den Stadtteil mitbaute, wachsen
sah und jede Menge Geschichten über ihn zu berichten weiß. Beispielsweise
auch, dass das Leben und Wohnen in Leipzigs größtem Viertel zwar nicht immer sorglos,
dafür aber qualitativ besser ist, als von Außen immer vermutet. Mit viel Lob, aber auch kritischen Worten
schilderten Grünauer ihren Alltag in der Platte.
Die Platte - ein Synonym industriellen Wohnungsbaus, der nicht immer ansehnlich, jedoch ungeheuer
praktisch ist, wie immer wieder betont wurde - prägt das Bild dieses Stadtteils. Witzig und gleichsam
logisch, dass zehn ehrenamtlich engagierte Grünauer ein Stückchen aufbereiteten Beton eines
einstigen Wohnblocks fürs heimische Wohnzimmer erhielten. Die neuen Besitzer der skurrilen Kunstwerke
ließen denn auch keinen Zweifel aufkommen, dass diese Auszeichnung etwas Besonderes
ist und die Freude darüber entsprechend groß. Diese Initiative - die erste ihrer Art - kam an. Und
so gingen die Plattenfragmente von Hand zu Hand, wurden bestaunt und gelobt, als sich die Gäste später
bei Bier, Sekt und Grillkost in lockerer Runde im Garten zusammenfanden.
Mit Swing- und anschließend kleiner Nachtmusik ließ man den offiziellen Teil der Festivitäten
ruhig ausklingen.
Etwas rustikaler ging es dann am dritten Tag der Jubiläumsfeiern zu.
Im Herzen Grünaus - auf dem Marktplatz der Stuttgarter Allee - traf sich das Grünauer
»Volk«
, um
den Geburtstag ihres Stadtteils zu feiern. Wer meinte, dass 50.000 Einwohner eine beeindruckende
Besucherzahl garantieren müssten, wurde jedoch enttäuscht. Verhältnismäßig wenig Menschen versammelten
sich an den Biergarnituren unter dem Sky Dach. Diese wirklich clevere Konstruktion, welche zwar eher zu
Dekorationszwecken 20 Meter des Platzes überspannte, tat denn auch gute Dienste.
Trüber Himmel und nasskaltes Wetter waren (will man mal nicht allzu sehr unken) sicher auch ein
Grund, warum das »Volk«
nicht so zahlreich wie gehofft erscheinen wollte.
Sehr zum Verdruss des Veranstalters.
Denn der hatte weder Mühen und schon gar keine Kosten gescheut, um ein ausgewogenes Bühnenprogramm auf die Beine beziehungsweise unters Himmelszelt zu stellen. Gegen Abend drängten sich dann aber deutlich mehr Leute unter den überdimensionalen Regenschirm.
»Muck«
als Stargast des Tages sollte nach einem nicht enden wollenden Auftritt der Musikschule Fröhlich
mit reichlich schrägen Tönen, für gute Musik und noch bessere Stimmung sorgen.
Das tat er auch, tanzte auf den Tischen, plauderte mit seinen Zuhörern, sang das ein oder andere Lied aus
seinem eigenem Repertoire und dem bekannter Bands der 70-er Jahre - und zwar live. Damit traf er den
Unterhaltungsnerv des Publikums so gut, dass dieses sogar die ständigen flapsigen Bemerkungen, er
würde keine Gage bekommen und nur wegen ihnen in Grünau sein, geflissentlich überhörten.
Nach einer knappen Stunde Biertischprogramm und einer spontanen Autogrammaktion verließ
»Muck«
die Grünauer.
Die taten es ihm gleich, sodass die Menge unterm Sky Dach wieder übersichtlich wurde. Das war
auch gut so, denn die, im Anschluss spielende
»Oldie Live Band«
, brachte die verbliebenen
Geburtstagsgäste dazu, das Tanzbein zu schwingen. Manch einer, der sich den Eintritt zu einer
Tanzveranstaltung nicht mehr leisten kann, dürfte sich darüber gefreut haben. Und so fanden sich die Pärchen
und schwebten unter und neben dem Skyzelt über die Tanzfläche - leicht betrunken aber glücklich.
Wer nicht tanzen wollte, hörte einfach nur gute Musik und wartete auf die »Grünauer Lichtperformance«
,
die den Abschluss dreitägiger Feierlichkeiten bilden sollte.
Was der Name versprach, konnte die minimalistische Darbietung nicht halten - abgesehen davon,
dass die Laseranimation nur ganz am Rande und mit den beiden letzten Sequenzen etwas mit diesem
Stadtteil zu tun hatte. Ein zünftiges Feuerwerk vom Dach eines der umstehenden Hochhäuser hätte
vielleicht dafür gesorgt, dass sich die Grünauer noch in zehn Jahren - zum 40. Geburtstag an dieses
Spektakel erinnert hätten.
kmn