Grün-As

Tilo Esche - Twelve Points

Schlager-Contest der Exoten zu Gast in Grünau

Es soll ja Leute geben, die ein ganzes Jahr auf lediglich ein Fernsehereignis hinfiebern. Der Eurovision Songcontest ist längst kein öder Unterhaltungsabend mehr für Menschen jenseits der Fünfzig, sondern ein Erlebnis, welches Jung und Alt gleichermaßen begeistert. Das Konzept ist so genial wie einfach: Ein Land, ein singender Repräsentant, ein Song - fertig. Über Sieg oder Niederlage entscheiden die Zuschauer. Auch wenn es immer mal wieder Gerüchte der Stimmanteil-Manipulation gibt oder gar den osteuropäischen Nachbarn mafiöse Strukturen unterstellt werden: Der Songcontest ist und bleibt eine Erfolgsstory der Unterhaltungsbranche. Eine, die Nachahmung findet.

Bild Viele haben die Idee aufgegriffen, beziehungsweise sich des facettenreichen Themas angenommen - aber kaum einer hat es derart begnadet umgesetzt wie der Leipziger Regisseur und Schauspieler Tilo Esche. Im Sommer wurde das von ihm inszenierte Stück »Der Contest der Exoten - Schlager comedy International« beim Sommertheater auf der Pferderennbahn am Scheibenholz uraufgeführt. Wie der Name es schon erahnen lässt, treten bei dieser Variante von Esches »Unternehmen Bühne« nicht die üblichen Kandidaten großer Nationen gegeneinander an. Vielmehr buhlen Vertreter verschiedenster Klein- und Kleinststaaten um die Gunst der geneigten Zuhörerschaft.

Das Publikum hat - wie beim »echten« Contest - die Möglichkeit, seinen Favoriten zu küren und sollte dabei besonders auf Outfit, Sympathie, Komik, ästhetische Körperbewegung und natürlich den besten Song achten. Die Wahl - so viel sei an dieser Stelle verraten - ist kein leichtes Unterfangen.

Jeder der insgesamt zehn Interpreten vermag nämlich auf seine ganz eigene Weise zu überzeugen. Wenn der tapsige Südseebewohner Coco Attacko beispielsweise mit schluchzender Stimme über den klimatisch bedingten Untergang seiner Heimatinsel »Tuvalu« singt und dabei leicht bekleidet mit einem »Speer« bewaffnet einen Stammestanz aufführt, oder der Rumäne Vlad Drascul mit seiner gesamten, mächtig finster dreinblickenden Familie an den blutigen Aufstand ihrer Landsleute erinnert, möchte man sich lieber nicht zwischen ihnen entscheiden müssen, dafür aber lachen und weinen zugleich.

Bild Denn obwohl das Stück urkomisch ist, entbehrt es nicht einer gewissen Ernsthaftigkeit, da die eigens von Marco Runge, Bibi Förster und Enno Seifried komponierten Songs im ersten Teil des Contests gewisse Vorgaben erfüllen sollten. So müssen sie eine bestimmte Länge haben, einen politischen Inhalt transportieren und auf Deutsch gesungen werden. Zum Glück, möchte man sagen. Denn sonst würde den Zuschauern der Kampf der Götter in Buthan, das komplizierte Leben der Reichen und Schönen in Monaco oder die wissenserweiterten Eingebungen kiffender Jamaikaner entgehen. Zu der außergewöhnlichen, akustischen Erfahrung gesellt sich der visuelle Genuss, die immer gleichen Protagonisten in den unterschiedlichsten Kostümen zu erleben.

Die jungen Schauspieler improvisieren, tanzen und singen sich in die Herzen des Publikums und hinterlassen dabei nicht zuletzt den ein oder anderen Ohrwurm, denman noch nach Wochen nicht aus dem Kopf bekommt...
Kurzum: Tilo Esche ist mit diesem Stück eine meisterhafte Parodie des großen Contest-Vorbildes gelungen. Am 16. November kann man sich im Grünauer KOMM-Haus bei der Indoor-Variante des Exoten-Schlager-Festivals davon überzeugen.

Klaudia Naceur
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