Typisch Club
Club der Nachdenklichen begeht zehnjähriges Jubiläum
Kaum abzuschätzen, wie viele Bücher schon geschrieben worden wären, hätte sich Jemand einmal die Mühe gemacht und all die gesprochenen Worte notiert, die seit dem 16. September 1998 jeden 2. Mittwoch im Monat im Club der Nachdenklichen gefallen sind. Nicht nur weil es sicher überdurchschnittlich viele waren, sondern darüber hinaus auch zumeist sehr kluge, die es durchaus wert sein dürften Gehör zu finden.
Vor zehn Jahren kamen auf Initiative von Karlheinz Lehmann und Jesuitenpater Bernd Knüfer erstmals acht Menschen im
Stadtteilladen zusammen. »Ist unser eigenes Ich der letzte und höchste Sinn unseres Daseins?«
, lautete
damals die spannende Frage, die erörtert werden sollte. Eine allgemeingültige Antwort fand man freilich nicht, aber das war
ja auch nicht der eigentliche Sinn des Nachmittags. »Mein Mann war nach seinem Renteneintritt immer noch sehr
aktiv, ging in Bibliotheken, las viel, suchte nach Wahrheiten und vor allem nach Menschen, mit denen er sich austauschen
konnte, die so dachten wie er«
, schildert Christel Lehmann die Entstehungsgeschichte aus ihrer Innensicht.
Drei Jahre später verstarb Karlheinz Lehmann - der etwa 20-köpfige Club jedoch bestand weiter und feiert vergangenen
Monat seinen runden Geburtstag im Stadtteilladen mit einer Festveranstaltung und gleichzeitigen Ausstellungseröffnung zur
zehnjährigen Geschichte. Zwar ist der Club der Nachdenklichen der erste seiner Art. Doch mittlerweile gibt es Nachahmer -
bis nach Ungarn. Das macht stolz aber nicht überheblich. Den elitären Charakter, der Clubs oft zu Eigen ist, sucht man bei
diesem vergebens. Dafür gibt es Lob und Sonnenrosen vom Leiter der Volkshochschule Rolf Sprink: »Dies ist keine
geheime oder geschlossene Gesellschaft, sondern das beste Beispiel dafür, wie sich Erwachsene gegenseitig bereichern
können.«
Und so widmet er seine drei Rosen symbolisch den Akteuren, ihren vielfältigen Themen und der politischen Kultur, die vom
Club aus in den Stadtteil strahlt. Letzteres können Grünau-Aktive besten Gewissens mittragen. Denn es gibt wohl kaum eine
Veranstaltung, auf der nicht ein Nachdenklicher das Wort ergreift, sich als selbiger zu erkennen und seine Meinung zum
Besten gibt. Es ist gut so - auch wenn es manches Mal in Monologen endet. Dass immer länger werdende Reden eine typische
Begleiterscheinung des Älterwerdens ist, weiß auch Bernd Knüfer. »Anscheinend ist es die Angst, nicht mehr alles
loszuwerden«
, spricht er in seiner Gratulationsrede vielen der Anwesenden aus dem Herzen und noch etwas sagt der
Katholik und Club-Moderator, wofür er beifälliges Nicken erntet: »In dieser Runde haben Menschen zueinander
gefunden, die sich gegenseitig aufrichten, sich zuhören, Mut und Selbstbewusstsein zurück geben und sich dennoch nicht
abgrenzen.«
Zehn Jahre Nachdenklichkeit hat sicher zu vielen Erkenntnissen geführt - unter anderem zu jener, dass es der Jugend
bedarf, um fortbestehen zu können. Dies ist jedoch ein Problem, welches mehr als nur eine Diskussionsrunde benötigt, um
eventuell eine Lösung zu finden. Am Jubiläumsabend beschränkte man sich doch lieber auf Sektplaudereien bei durchaus
interessanten Ausstellungsrundgängen. Zuvor stellten die Nachdenklichen allerdings noch einmal ihre Spontanität unter
Beweis, in dem sie sich selbst beglückwünschten, beieinander bedankten und mit Blumen bedachten. »Typisch Club.
Immer ein wenig am Protokoll vorbei...«