Grün-As

Grünau - ein artenreiches Wohngebiet Leipzigs

In Grünau kommen im Laufe eines Jahres mindestens 90 Vogelarten vor. Manche sind nur im Winter hier wie die Bergfinken oder die Saatkrähen, die wieder in ihre Brutgebiete im Nordosten Europas aufbrechen. Einige brüten hier nicht, sondern überfliegen Grünau nur wie die Kormorane, wenn sie vom Kulkwitzer See zu den Schönauer Lachen wechseln. Ab März kommen die Zugvögel zurück und lösen die Wintergäste ab. Es ist ein ständiges kommen und gehen.

Auch von den Säugetieren tauchen fast alle Arten, die in Leipzig und Umgebung vorkommen, mindestens zeitweise in Grünau auf. Selbst Rehe nutzen z.B. die Zschampertaue, um vom Auwald bis zu den Kulkwitzer Lachen zu wandern. Säugetiere sind meist nachtaktiv und daher nur schwer zu beobachten. Aber zumindest Fuchs und Hasen lasen sich regelmäßig sehen und sind wenig scheu. Auch Zauneidechsen, Ringelnattern, Blindschleichen oder ausgewilderte Haustiere wie die aus Nordamerika stammende Rotwangenschildkröte laufen einem in Grünau über den Weg.

Bald beginnt wieder das Konzert der Kröten und Frösche. Auch wenn es in Grünau keine Teiche oder Gewässer gibt, wenn man von Gartenteichen absieht, so an die 10 Amphibienarten lassen sich hören oder sehen. Mit etwas Glück am Hafen, im Schönauer Park oder am Zschampert auch wieder Laubfrösche. Für die Vögel und viele andere Tiere ist Grünau ein attraktiver Lebensraum, weil es viele Grünflächen zwischen den Wohnblocks und an ihrem Rand gibt, die sich in ihrem Charakter deutlich unterscheiden: Gärten, Schönauer Park, Lindenallee, die Hänge der S-Bahn-Linie, Strauchstreifen längs einiger Straßen und Gehölze inmitten der Wohngebiete, selten gemähte Wiesen neben gepflegten Vorgärten.

Wichtig ist, dass in Grünau viele heimische Pflanzen wachsen und es viele Wiesen gibt, die nur ein- bis zweimal pro Jahr gemäht werden. In Grünau ist Wildnis in einer Dosierung zugelassen, mit der sich auch viele anfreunden können, die leicht über »Unkraut«wüsten und Schandflecke schimpfen. Für mich ist allerdings eine bunt blühende Wiese, über der viele Schmetterlinge segeln, sehr viel schöner als ein gepflegter, aber langweiliger englischer Rasen. Diese gezähmte Wildnis ermöglicht es sogar Fasanen oder Wachteln hier zu leben und zahllosen Insekten.

Grünau ist über den Zschampert, den Elster-Saale-Kanal und über die Grünstreifen längs des Radweges auf der alten Bahnlinie nach Lützen sehr gut mit anderen artenreichen Lebensräumen verbunden. Wer Natur vor der Haustür erleben will, ist in Grünau richtig - mit seiner Artenvielfalt, die in anderen Leipziger Stadtteilen nur in Parks erreicht wird.

Wie ist dann voriges Jahr ein Team des Umweltforschungszentrums unter Leitung von Frau Prof. Haase dazu gekommen, zu behaupten, Grünau und der gesamte Leipziger Westen seien extrem artenarm? Ganze 17 Vogelarten sind ihnen aufgefallen. Sie haben in Grünau ein Wohnblockkarree von ca. 500 m Seitenlänge untersucht - gezielt ausgewählt nach dem Bild, das sie von Grünau haben: langweilige Wohnumgebung, im Inneren des Karrees vorwiegend kurz geschorener Rasen, Autostellplätze und nur wenig Bäume und Sträucher. So ein winziges Fleckchen ist eigentlich kaum interessant.

Da aber in Deutschland die Vergabe von Forschungsgeldern leider stark davon abhängt, welche Aufmerksamkeit das Thema in den Medien hat, wurden die Grenze zwischen seriöser Forschung und Scharlatanerie überschritten und die Ergebnisse dieses armseligen Fleckchens auf den ganzen Leipziger Westen ausgeweitet. Prompt ist dieser Unsinn von vielen - auch renommierten - Zeitungen und Zeitschriften in ganz Deutschland gedruckt worden, denen sonst 25 ha Wohnblockgebiet mit magerem Grün kein Wort wert gewesen wären. Übertriebener Ehrgeiz und die Jagd nach Ruhm und Geld werden offenbar nicht nur Ministern zum Verhängnis.

Dr. Leonhard Kasek
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