Grün-As

Hilfe in fast allen Lebenslagen

Pilotphase Seniorenbüro neigt sich dem Ende entgegen

Als Andrea Golzem und Mandy Voigt am Vormittag des 23. März ihren ersten richtigen Arbeitstag in Grünau antraten, ahnten sie noch nicht so recht, was in den kommenden Monaten alles auf sie zukommen mag. An jenem Frühlingstag wurde im Beisein von Bürgermeister Thomas Fabian das hiesige Seniorenbüro eröffnet - ein Modellprojekt, welches auf Antrag des Seniorenbeirates der Stadt Leipzig etabliert wurde. Grünau als Standort war geradezu prädestiniert für diese Art des Hilfeangebotes, verfügt der Stadtteil doch über einen immens hohen Anteil von Bewohnern, die die 65 bereits überschritten haben.

Als Schnittstelle für Seniorenbedürfnisse bezeichnen sich die 42-jährige Andrea Golzem und die 30-jährige Mandy Voigt. Beide hatten sie - die eine ehemalige Versicherungskauffrau, die andere studierte Japanologin - bislang nichts mit der Materie »Senioren« zu tun und doch gehen sie sichtlich auf in ihrer Aufgabe: »Wir konnten uns praktisch nicht vorbereiten, keiner konnte ahnen, mit welchen Problemen und Erwartungen die Leute zu uns kommen. Wir haben uns einfach überraschen lassen«, erinnert sich Andrea Golzem.

Das sei, so sagt sie, eigentlich bis heute so geblieben. Jeden Tag werden die beiden Frauen mit Dingen konfrontiert, die sie nicht vorhersehen können. Überfordert waren sie aber weder von der Frau, die nach dem Tod ihres Mannes im Seniorenbüro stand und nicht wusste, was sie als nächstes tun sollte, noch von einem älteren Herren, der verkündete, er wolle seinen Körper der Wissenschaft vermachen. »Es gibt einfach nichts, was es nicht gibt«, ist das einfache Fazit von Mandy Voigt. Darauf wiederum seien sie vorbereitet.

Zwischen zehn und 15 Leute betreten täglich das Büro in der Stuttgarter Allee 21 und finden bei den beiden Frauen in erster Linie eines: immer ein offenes Ohr. »Die Leute kommen mit den unterschiedlichsten Anliegen zu uns«, berichtet Mandy Voigt von ihrem Arbeitsalltag. »Manche wollen einfach nur reden, weil sie einsam sind. Da übernehmen wir nicht selten die 'Kinder-Funktion'. Andere wiederum haben ganz konkrete Fragen«, ergänzt ihre Kollegin.

Jedem ihrer Besucher versuchen sie gerecht zu werden. Dabei kann es vorkommen, dass sie nach Feierabend schon mal dicke Fotoalben mit einem ihrer »Stammgäste« wälzen. »Das gehört einfach dazu«, lächelt Andrea Golzem. »Aber das ist eher die Ausnahme und natürlich nicht unsere Hauptaufgabe.« Diese läge viel mehr bei der Vermittlung zu städtischen Ämtern und anderen öffentlichen Stellen, aber auch im Angebot regelmäßiger Beratungen zu Themen wie Gesundheit oder altersgerechtes Wohnen. Allein im Juli fanden vier Beratungen und Sprechstunden zu altersrelevanten Themen in den Räumlichkeiten des Seniorenbüros statt und waren gut besucht.

Im August (siehe Info-Kasten) wird sogar die Seniorenbeauftragte der Stadt Kerstin Motzer zu Gast sein und sich der Fragen, Sorgen und Nöte der Grünauer annehmen. An diesem Beispiel erkläre sich laut Andrea Golzem das ganze Prinzip des Seniorenbüros: »In dem wir die Leute hierher holen, bauen wir eine große Hemmschwelle ab. Ältere Menschen sind nun einmal nicht so mobil, um sich an der entsprechenden Stelle einen Rat zu holen oder können nicht von den vielen Informationen im Internet profitieren. Dafür sind wir da.«

Am 30. September endet die Pilotphase Seniorenbüro nach sechsmonatiger Laufzeit in Grünau. Ob und wie es weiter geht, ist derzeit ungewiss. Ein Umstand, der die Frauen nachdenklich stimmt und das nicht wegen der eigenen, beruflichen Perspektive: »Es ist ein unbeschreiblich schönes Gefühl, den Menschen helfen zu können«, beschreibt Mandy Voigt ihre tägliche Motivation. Menschen, die weinend im Büro stehen und lächelnd wieder hinaus gehen.

Manchmal verlassen Golzem und Voigt ihren Arbeitsplatz auch mit einem Blumenstrauß als Dankeschön. Ganz abgesehen von emotionalen Gründen sprechen natürlich auch Fakten für den Bedarf solcher Einrichtungen: Das Projekt habe gezeigt, dass ein solches Angebot auch in anderen Vierteln gefragt sei. Bester Beweis dafür seien Besucher aus beinah allen Teilen der Stadt.

kmn
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