Grün-As

Im falschen Film

Ein Kommentar von Klaudia Naceur

Als ich unlängst an einem Workshop zur Novellierung des Stadtentwicklungsplanes Zentren teilnahm, wähnte ich mich im falschen Film. Zum einen weil dort der Konsum als Vorzeige-Einzelhandelsunternehmen in den Himmel gehoben wurde. Von herausragendem lokalem Konzept, von kleinen, exquisiten Läden und Nischenbesetzung war genauso die Rede wie von guter Partnerschaft in Zusammenarbeit mit Behörden, wenn es darum ginge, die Nahversorgung in Leipzig voranzubringen.

Wer die Grünauer Märkte kennt, kann sich vorstellen, dass ich mir verwundert die Ohren reiben musste. Nicht nur, dass die Geschäfte im hiesigen Stadtteil alles andere als exquisit sind, gilt doch der Konsum darüber hinaus in der Entwicklung Grünauer Standorte eher als Bremse denn als Motor. Im WK II weigert er sich beispielsweise beharrlich, an einer Umgestaltung mitzuwirken, etwa seine Flachbauten zur Verfügung zu stellen. Grünau scheint für das lokale Unternehmen keine Relevanz zu haben.

Und noch etwas machte mich als Grünauer Vertreterin bei der Veranstaltung im vergangenen Jahr zur echten Außenseiterin: Während alle anderen Teilnehmer unisono über die Unterversorgung ihrer Stadtteile klagten, sich geradezu händeringend neue Einzelhandelseinrichtungen herbeisehnten (»und sei es nur ein LIDL« ist mir deutlich in Erinnerung geblieben), konnte ich auf hohem Niveau Kritik anbringen.

Über meine Sorge, dass sich in Grünau die Händler gegenseitig die Kundschaft wegnehmen, konnten einige nicht einmal mehr lächeln. Zugegeben: Wer beispielsweise in Holzhausen lebt und darüber hinaus vielleicht auch nicht mehr sehr mobil ist, der wünscht sich ein Luxusproblem wie die Überversorgung. Doch der scheinbare Komfort hat auch äußerst unansehnliche Seiten: Wenn die Nachfrage erst einmal das Angebot geregelt hat, bleiben leer stehende Märkte und verwaiste Geschäfte. Schön ist was anderes.

Die Weigerung beinah aller Zentrumsbetreiber in Grünau, über die Entwicklung der letzten Jahre zu reden, könnte darauf hinweisen, dass fehlende Kaufkraft - nicht aufgrund zu geringer Einkommen - sondern durch den massiven Wegzug von Einwohnern nicht mal eben pille-palle, sondern ein ernst zu nehmender Faktor ist. Oder genau das Gegenteil ist der Fall: Das Thema ist so nichtig, dass man nicht darüber reden muss. Dann wäre ich mal wieder im falschen Film gewesen...

Klaudia Naceur
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