Und es gibt sie wirklich
Neu-Grünauer berichten von ihren Beweggründen in den Stadtteil zu ziehen
Nach dem Verkauf ihres Hauses in Hartha suchte Familie Kolbe ein neues Zuhause. »Nicht bei jedem Vermieter und in jeder Stadt ist man mit drei Kindern und einem kleinen Hund gern
gesehen«
, sagte Ivonne Kolbe. Umso erfreulicher war der unkomplizierte Umzug nach Leipzig. »Nachmittags besichtigt und am nächsten Tag den Vertrag unterschrieben. Das war die schnellste
Vermietung der letzten Jahre«
, lachte Carla Weiß, VLW-Mitgliederbetreuerin für den Stadtteil Grünau.
Familienvater Bernd baute als Lehrling sogar an der »Grünauer Platte«
mit und auch von der Entstehung der »Allee der Kosmonauten«
in Berlin-Marzahn kann er lebhaft
berichten. Heute genießt die Familie der beiden berufstätigen Eltern die Vorteile von Grünau. »Wir benötigen nicht mehr zwei Autos für den Transport der Kinder zu Kita, Schule und den täglichen
Einkauf. Außerdem besucht unsere Tochter seit einigen Monaten das Max-Klinger-Gymnasium und spielt Bratsche im Ensemble der Ringelnatz-Grundschule.
Wer im Umland wohnt, hat es da bedeutend schwerer seinen Kindern solche Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten« resümieren die stolzen Eltern. Auf Einladung des VLW-Vorstandes waren neben den Kolbes weitere fünf Genossenschaftsmitglieder, die sich erst in den letzten zwölf Monaten für einen Umzug nach Grünau entschieden hatten, zu Gast in der VLW-Außenstelle, Am Schwalbennest 7.
»Dass es sie gibt, die Neu-Grünauer, das wussten wir aus unserer Vermietungsstatistik. Nun war es aber an der Zeit, die Neuankömmlinge, ihre Beweggründe für den Umzug gerade in Leipzigs größten
Stadtteil und ihre ersten Erfahrungen persönlich kennenzulernen«
, so Michaela Kostov, Vorstand der VLW. Kaum Straßenlärm, ein unverbauter Blick ins Grüne, kurze Wege zum Einkauf und zu Ärzten, das
sind Argumente, die an diesem Abend öfter fallen. Vor allem die S-Bahn-Anbindung loben die Genossenschafter.
Heike Gügel, die jahrelang aus dem Saalekreis nach Leipzig pendelte: »Ich setze mich entspannt in Grünau in die Straßenbahn, steige in der City aus und laufe die paar Meter zu meinem Arbeitsplatz.
Bequemer geht es fast nicht.«
Die gebürtige Annabergerin Heide Mette hat fast 20 Jahre aus beruflichen Gründen in Berlin-Hellersdorf gewohnt. Nach dem aktiven Arbeitsleben zog sie es nach Leipzig: »Mein Sohn lebt hier und zu
meiner Tochter ist der Weg auch etwas kürzer geworden.«
Trotz der Versuche des Sohnes, die Mutter für einen Altbau zu begeistern, stand für Heide Mette fest: Grünau sollte es sein. »Mir
gefällt der schöne Ausblick vom Balkon, das grüne Umfeld und natürlich die gute Verkehrsanbindung«
, so die frühere Veterinäringenieurin.
Auch die 22-jährige Sophie Gräfe entschied sich bewusst für Leipzig-Grünau: »Ich wollte nicht in die City. Ruhe ist mir wichtig. Auf Anhieb gefielen mir der Wohnungsgrundriss und die Größe des
Balkons.«
Die Angestellte kam aus beruflichen Gründen aus Bremen in die Messestadt. »Das Verhältnis des Mietpreises zum Sanierungsstandard ist mit Bremen überhaupt nicht vergleichbar. In
Leipzig bekommt man deutlich mehr Wohnqualität für sein Geld geboten«
, schätzt sie ein.
Beinahe wäre das mit ihrer Grünauer Wunschwohnung nichts geworden. »Ich sollte meine neue Stelle statt am 15. plötzlich zum Monatsersten antreten. In der Wohnung waren aber noch die
Handwerker«
, berichtet Sophie Gräfe. Auch hier gab es unbürokratische Hilfe durch den neuen Vermieter: Es wurde ihr eine möblierte VLW-Gästewohnung zur Verfügung gestellt.
Der junge Informatiker Daniel Welzel war schon Mitglied der traditionsreichen Leipziger Genossenschaft und wohnte im »Radiushof«
in einem Lindenauer Altbau. »Die bisherige
Wohnung war mit 104 Quadratmeter für unsere Patchwork-Familie einfach zu groß. Die Zimmergrößen passten nicht mehr zu unseren veränderten Lebensgewohnheiten«
, berichtet der Familienvater.
»Viele Freunde und Bekannten kommentieren unsere Entscheidung zum Umzug vom Altbau in die Platte nur mit Unverständnis und Kopfschütteln. Da habe ich gemerkt, dass es nachwievor viele unbegründete
Vorurteile gibt. Wir haben unsere Entscheidung nicht bereut, fühlen uns sehr wohl!«
Wer in Grünau wohnt, wird in seinem Umfeld oft noch immer in eine gedankliche Schublade eingeordnet, da Grünau viele Jahre als »Wohnort für arme Leute«
und die, die sich scheinbar nicht
mehr leisten konnten, galt. Doch die Zeiten haben sich längst geändert. »Ein Umzug nach Grünau ist keine soziale Härte, sondern eine bewusste Entscheidung für ein entspanntes Wohnen zu fairen Preisen
in einer grünen Umgebung«
, da sind sich die Teilnehmer der Geprächsrunde einig. Sie sind gut angekommen, fühlen sich wohl und werden bleiben. Weitere neue Nachbarn sind gern willkommen. Im gesamten
Stadtteil gibt es immer noch 17 Prozent Leerstand und viele bezahlbare Wohnungen.