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Leipzig Grün-As Stadtteilmagazin

Den dicken Kindern zu Leibe rücken

Projekt zur Kindergesundheitsförderung in Grünau gestartet

Es klingt erschreckend: Laut einer Studie sind rund 13 Prozent der Kinder in Grünau schlicht zu dick. »In anderen Vierteln Leipzigs sind es gerade einmal halb so viele«, streicht Professor Gesine Grande den Handlungsbedarf im hiesigen Stadtteil heraus.

Die Rektorin der HTWK stellt gemeinsam mit drei weiteren Projektpartnern am 3. Dezember des vergangenen Jahres ein neues Programm vor, welches sich in den nächsten fünf Jahren im Stadtteil der Verbesserung der Kindergesundheit annehmen will.

Neben der Forschungsgruppe Soziales und Gesundheit der HTWK sind auch die Abteilung Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsklinik Leipzig, die AOK sowie das Gesundheitsamt der Kommune mit im Boot. Unisono erklären diese, wie wichtig es sei, in punkto Prävention und Verbesserung der momentanen Verhältnisse an einem Strang zu ziehen.

Der verhältnismäßig lange Projektzeitraum ist dabei nicht nur begrüßenswert, sondern vor allem auch dem Anliegen geschuldet, wie Grande erklärt: »Ziel ist es, die Verhaltensweisen der Menschen zu verändern. Das schafft man nicht, in dem man im Stadtteil Turnübungen vormacht.« Viel mehr wolle man durch eine veränderte Umgebung ein Umdenken bewirken. Die Gegebenheiten in Grünau sollen demnach verändert werden.

Machen Stadtteile also dick? Dr. Thomas Fabian, Dezernent in Sachen Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule verweist in diesem Zusammenhang nicht ohne Grund auf die schwierige soziale Lage in Grünau. Schon lange sei der enge Zusammenhang zwischen sozialem Status und Mangel an Bewegung beziehungsweise falschen Ernährungsweisen bekannt. Die Folgen sind unübersehbar.

So weit die Theorie. Das praktische Wissen über Grünauer Verhältnisse lässt seitens der Projektpartner momentan zwar noch ein wenig zu wünschen übrig. So kommen die eigentlich hervorragenden Voraussetzungen in Grünau zur Sprache. Viele Freiflächen, der Schönauer Park, die Nähe zum Kulkwitzer See und die Vielzahl von Spielplätzen werden genannt, die von den Grünauern aber angeblich kaum genutzt würden.

Eine Einschätzung, die Stadtteilkenner wohl eher nicht unterschreiben können. Doch die Wissenslücke kann und wird sich im Laufe der Zeit schließen. Seit einem halben Jahr ist Ruth Gausche vom Wachstumsnetzwerk CrescNet damit beschäftigt, die Strukturen vor Ort zu eruieren - sprich: »gesundheitsfördernde, aber auch gesundheitsschädliche Aspekte im Stadtteil zu analysieren«, lokale Partner anzusprechen und für das Projekt zu gewinnen. In absehbarer Zeit ist sie auch körperlich präsent. Als Ansprechpartnerin wird sie ein Büro im Stadtteilzentrum beziehen und von dort die einzelnen Projektbausteine koordinieren. Welche das ganz konkret sein werden, ist momentan noch nicht ganz klar. Vorstellungen gibt es jedoch schon.

So will man beispielsweise mit dem Handel in Kontakt treten. Gemüse und Obst sollen attraktiver präsentiert werden und dafür Süßwaren als fiese Versuchung im Kassenbereich verschwinden. Den KONSUM habe man bereits dafür gewinnen können. Die gute Idee hat jedoch einen Haken: Sozial schwache Familien, die man in erster Linie mit den Maßnahmen erreichen möchte, gehen eher zu LIDL und Co. Ob diese, dem knallharten Konkurrenzkampf unterworfenen Discounter, einen Gefallen an solchen Vorschlägen finden, darf getrost bezweifelt werden.

Ebenso wie der erhoffte Erfolg des grundsätzlich begrüßenswerten Ansatzes, in Schulen und Kitas auf die Wahl eines gesunden Essenanbieters hinzuwirken. Deutlich höhere Essenbeiträge oder auch monatliche Beiträge für den Sportverein können sich viele Grünauer einfach nicht leisten.

Und manche wollen es nicht. Dies stellt vielleicht den größten Knackpunkt des ambitionierten Projektes dar. Ohne Mitnahme der Eltern, könnten all die guten Ideen ins Leere laufen. Von ihnen schauen sich Kinder in erster Linie Verhaltensweisen ab. Sie entscheiden, ob der Weg zur Schule zu Fuß oder im Auto zurückgelegt wird, ob am Nachmittag Bewegung oder Fernsehen auf dem Programm stehen oder was abdens auf den Teller kommt.

Diese Fragen treibt auch Professor Wieland Kieß, Direktor der Uniklinik für Kinder- und Jugendmedizin um: »Natürlich wird das Projekt kein Wunderwerk. Wir sind alle Theorie-Riesen und Umsetzungs-Zwerge und werden während der fünf Jahre kräftig dazu lernen.« Aber, so Kieß, irgendwo muss ein Anfang gemacht werden. Eine verbesserte Gesundheit der Kinder ist einen Versuch allemal wert.

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