Lasst das Spektakel beginnen
1000-Jahrfeier-Umzug am 30. Mai: Ein Löwe startet in Grünau
Leipzig, so scheint es, kommt aus dem Feiern nicht mehr raus. War es 2013 das Gedenken an die Völkerschlacht 200 Jahre zuvor und 2014 der 25. Jahrestag der Friedlichen Revolution, so begeht die Stadt in diesem Jahr ihren 1000. Geburtstag.
Das klingt nicht nur nach einer richtig großen Sause sondern das wird es auch: Am 30. Mai steht allen Leipzigern mit dem Stadt.Fest.Spiel ein wahrhaft gigantisches Spektakel ins Haus. Ein Festumzug aus verschiedenen Richtungen, der sich am Augustusplatz vereint dort in einem fulminanten Finale endet.
Einer der insgesamt fünf Züge startet in Grünau, auf dem Marktplatz Stuttgarter Allee. Künstlerisch entwickelt wurde das Event vom Theater Titanick und wer das weltweit agierende Ensemble kennt, ahnt, dass der Stadt sowie unserem Stadtteil ein Fest für alle Sinne bevorsteht.
Erinnert sei an dieser Stelle an das 20-Jahr-Jubiläum Grünaus, als die Künstlergruppe schon einmal mit ihrem Klassiker »Titanic« zu Gast war. Titanick. Das ist großes Theater – im wahrsten Wortsinn. Davon konnte man sich auch am 17. April schon vorab überzeugen. Auf dem alten Messegelände öffneten sich an diesem Tag die Tore der Halle 16 speziell für interessierte Grünauer.
Dahinter wurde fleißig gewerkelt, geschweißt, gesägt, genäht, gesprüht – ja sogar geprobt. Die eineinhalbjährige Vorbereitungsphase befindet sich buchstäblich auf der Zielgeraden und es gibt noch etliches zu tun. Beim Blick in die überdimensionierte Theater-Werkstatt bleiben die Augen gleich zwangsläufig an den fünf riesigen Skulpturen hängen und schnell wird klar: Da kommt Großes auf uns zu. Bis auf eine Ausnahme (davon wird noch die Rede sein), sind diese noch recht nackt.
Metallisch glänzende Köpfe, denen man dennoch ihre Charaktere bereits ansieht. Reine Köpfe sind es gar nicht – viel mehr Häupter auf Pranken. Löwenpranken, um genau zu sein. Robert Schiller, titanisches Urgestein und stets für die Spezialeffekte bei den außergewöhnlichen Aufführungen zuständig, erklärt den tieferen Sinn:
Ein Löwe startet in Grünau »Aufhänger der Inszenierung war die Leipziger Löwenjagd anno 1913. Damals waren einem Zirkus sechs Löwen entwischt, die in der ganzen Stadt gejagt wurden.« Als Weiterentwicklung dieser ursprünglichen Idee entstanden die Köpfe, welche die Stärken der Stadt Leipzig symbolisieren. »Das Auto wird man vergeblich suchen«, grinst Schiller schelmisch, als er die Themenkomplexe der einzelnen Züge aufzählt, die sowohl historische als auch moderne und zukunftsorientierte Segmente vereinen.
Insgesamt zwölf prägnante und in Bezug auf Leipzig absolut stimmige Komponenten habe man im Laufe der Vorbereitungen herausgearbeitet. Und markant umgesetzt. Stolze sieben Meter ragen die futuristisch anmutenden Gefährte in die Höhe. Als Antrieb – schließlich sollen die Skulpturen auch mobil sein – dienen gewöhnliche Gabelstapler. Während des Festumzuges werden sie von den Titanick-Profis nicht nur bewegt, sondern auch thematisch bespielt – begleitet von jeder Menge Laiendarsteller.
So turnen und klettern beispielsweise verschiedene Artisten auf dem Kopf »Sport & Umwelt«, der sich aus dem Clara-Zetkin-Park in Bewegung setzt. Zuvor wird dort ein »etwas anderes Sportfest für die gesamte Familie unter dem Motto: 'Mitmachen ist wichtiger als gewinnen' stattfinden«, erläutert der passionierte Feuerwerker Robert Schiller das Konzept.
Der Kopf »Buch & Medien«, aus der Südvorstadt kommend, ist von einem Mimen besessen, der als rasender Reporter historische und aktuelle Anekdoten erzählt. »Wirtschaft & Handel« strebt aus dem Norden in die City. Auch darauf geht es turbulent zu, wenn die Akteure die wirtschaftlichen Errungenschaften der Stadt preisen. Am Kopf von »Wissenschaft und Bildung« (aus dem Osten) wird es hingegen ordentlich schäumen und sicher auch ab und an knallen.
Und was bleibt für Grünau? Der Stadtteil, der letztlich den weitesten Umzugsweg zurückzulegen hat, darf sich auf den farbenfrohen, klanglich experimentellen und einzig realen großen Kopf der Inszenierung freuen: Kein geringerer als Johann Sebastian Bach in sattes Lila getaucht und halbseitig mit einem Instrument bestückt, das man im weitesten Sinne als Orgel bezeichnen könnte, gibt sich als »Kunst & Kultur« - Haupt die Ehre, die Grünauer auf ihrem Weg ins Zentrum zu begleiten.
Zuvor wird der Marktplatz Stuttgarter Allee zu einem kolossalen Open-Air-Frühstücksbankett, wenn zwischen 10 und 12 Uhr an jener Stelle der stadtweite Bürgerbrunch stattfindet. Künstlerisch begleitet von Gesangs-, Tanz- und szenischen Darbietungen. Punkt 12 Uhr enthüllt sich der Kopf und das Spektakel kann beginnen.
Klaudia Naceur