»Der kommt vom Ausland! Der ist fremd!«
KuSo-Abschluss bei Paulus ist historisch und hochaktuell
Alle wissen sie Bescheid. – In der Klasse von Lars lernt Aisha aus Afghanistan: »Sie ist nett.«
In Doros Klasse geht Sofan aus Syrien. Karolins Mutti kommt aus der Ukraine. Carmen hat
einen Lehrer, der ist Chinese. In Florians Klasse ist ein Geschwisterpaar aus Frankreich. Und Freyja sitzt in der Schule neben einem Jungen aus der Türkei.
Es ist heute so. Aber – wie gehen wir damit um? Kommen wir damit klar? Wollen wir das? Einst hatte König Darius »... ein Reich, – war ganz unglaublich groß.«
»Mindestens
zwanzig Meter hoch«
, versichert Annalena (5). »Und solch ein König hat alleine / auch nur zwei Hände und zwei Beine.«
»Er stellte also Männer an, / die ständig nach dem Rechten sah'n.«
Julian (5) weiß das genau: »Na, Tierpfleger eben, die das Futter in die Löwengrube schmeißen.«
Und
Eva-Maya (6) ist sicher: »Gärtner, die den Garten schön machen.«
Aber die Wichtigsten »... waren die Banker, die das Geld des Königs ausrechnen«
, so Lars (10), der aus der Schule weiß, wie schwer das ist, immer richtig zu rechnen. »Und die
früh den König schön anziehen«
, weiß dann noch Annalena. »Nun gab es einen Mann im Land, / den er (Darius) besonders tüchtig fand.«
»Das macht die anderen
neidisch!«
, erzählen die Kinder der Paulus-Gemeinde.
»Die Hofbeamten sind eifersüchtig.«
Die Textvorlage des Klaus-Peter Hertzsch und die Musik des Wolfgang Elger versuchen bereits in den 1960er und 70er Jahren, die biblische Geschichte
mittels Knittelversen und kindgerechten Melodien so zu vermitteln, dass auch ein zufälliger Beobachter der Szenerie deren Brisanz begreift: »Sie schimpften laut und ungehemmt: Der kommt vom Ausland!
Der ist fremd!«
»Sie alle wünschten sich von Herzen / ihn (Daniel) bei dem König anzuschwärzen.«
– »Sie gaben ständig auf ihn Acht, / ob er nicht was Verkehrtes macht.«
Die Aisha
kommt mit Kopftuch in die Schule. »Bei uns macht das keiner«
, erzählt Lars. »Es sieht schon anders aus. Aber, wenn sie das zu Hause eben so gelernt hat.«
Den
Drittklässler stört das nun nicht mehr. Er hat sich in dem letzten halben Jahr daran gewöhnt. Und es schadet ja Niemandem.
Freyja ärgert sich über die frechen Sprüche ihres Banknachbarn. »Er ist ein Türke und frech und freut sich noch darüber.«
Und Franz kennt einen Jungen aus Nigeria.» Ich kann gar
nicht mit ihm sprechen. Er kann überhaupt kein Deutsch. «
Sie sind anders. Sie sind fremd. König Darius fällt auf die Schmeicheleien und die Verleumdungen seiner Hofbeamten herein: »Viel
Grübeln war ihm widerwärtig. / Er unterschrieb, und damit fertig.«
Daniel muss in die Löwengrube.
»Vielleicht bewahrt dich dein Gebet!«
So ganz überzeugt ist König Darius von seiner Entscheidung wohl nicht. »Er schlief nicht und er träumte schwer. / Er warf im Bett sich hin
und her. Und was macht Daniel unterdessen? / Ganz friedlich hat er dagesessen.«
Schon immer hat er - wie in seiner Kindheit gelernt – auf seinen Gott vertraut und ihm Gebete gesandt. Gebete gegen
Löwen? Und überhaupt – was ist denn das Beten?
»Also ich bedanke mich für den schönen Tag.«
»Und ich für die Blumen, die er gemacht hat.«
»Und ich für die Sonne.«
»Und für die
Eins in Mathe, weil er mir die Daumen gedrückt hat.«
Die Vor- und Grundschüler haben ihre ganz eigenen Vorstellungen, von dem, was ein Engel bewirken kann. Und tatsächlich. Daniels Gott sendet ihm
helfende Engel. Sie halten den grummelnden Löwen die Mäuler zu. Besänftigen sie mit ihrem Gesang.
Und die gibt es wirklich, sind die Paulus-Kinder sicher. Annalena hat einen Engel gemalt, der auf einer Riesen-Spielplatz-Rutsche auf die Erde flutscht und zehn Säcke Frieden über einem weinenden Kind ausschüttet. Julian hat einen Sonnenengel gemalt. Hell und strahlend blendet er die Bösen. Der ultimative Held des Nachmittags ist der feuerrote Feuer-Engel mit der totalen Über-Kraft von Maira (4). Das ist das schöne Ende der Geschichte – Daniel hat überlebt. Lassen wir hier einfach offen, ob göttliche Engel unseren Alltag bereichern...
Silke Heinig