Willkommen in Grünau?
Der Stadtteil und die neuen Nachbarn
Das letzte Wort am Abend des 10. November im rappelvollen Festsaal des Parkschlosses hatte Quartiersmanagerin Antje Kowski: »Ich bin sehr enttäuscht von meinen Grünauern«
, sagte sie
hörbar erregt und meinte damit die Reaktionen einiger Anwesender auf der ersten von insgesamt vier Informations-Veranstaltungen zu den geplanten neuen Unterkünften für Geflüchtete im Stadtteil.
Rund 100 Interessierte waren der Einladung des Leipziger Sozialdezernats gefolgt, sich über die Unterkunft für 38 Personen auf dem Gelände des Robert-Koch-Parks zu informieren und mit Bürgermeister Thomas Fabian und der Sozialamtsleiterin Martina Kador-Probst ins Gespräch zu kommen.
Nicht allen war an einer sachlichen Diskussion gelegen. So herrschte bereits während der einleitenden Worte Fabians eine merklich unruhige Stimmung unter den Zuhörern. Mehrfach brandete höhnisches
Gelächter auf und kamen Zwischenrufe aus den hinteren Reihen. Dort hatte sich ein kleines Grüppchen junger Leute niedergelassen – einer von ihnen der NPD-Stadtrat Enrico Böhm. Gezielt provozierten die
»Hinterbänkler«
und ernteten das, was sie sich erhofft hatten: Zustimmung und Applaus.
Derweil die Verantwortlichen auf dem Podium bemerkenswert ruhig blieben. Nach den vielen Veranstaltungen der letzten Jahre und Monate im gesamten Leipziger Stadtgebiet, bei denen es stellenweise weitaus heftiger zur Sache ging, haben sie zumindest an Gelassenheit gewonnen. Immer wieder riefen sie zu Empathie gegenüber den Menschen auf, die in ihrer Not hier Zuflucht suchten und entkräfteten stichhaltig und faktenkundig geäußerte Vorwürfe, die Bürger Leipzigs würden zugunsten der vielen Flüchtlinge benachteiligt.
Sozialdezernent Fabian gab zu, dass die Unterbringung und nicht zuletzt auch die sehr viel wichtigere Aufgabe, die Integration, eine große Herausforderung für die Kommune sei und ja, auch Geld koste. Geld,
das im Übrigen derzeit gesondert im Stadthaushalt aufgeführt und von Land und Bund rückerstattet wird. Obwohl er ständig zwischen den Zeilen stand, fiel nicht einmal der Merk(el)-Satz der Bundeskanzlerin
»Wir schaffen das!«
. Zu hören war lediglich: »dass es möglich ist.«
Wenn...
Wenn man den Neuankömmlingen statt mit Argwohn, Vorurteilen und Ablehnung mit Verständnis und einer gewissen Willkommenskultur entgegen käme, wie auch ein Gemeindemitglied der Grünauer Kirche anregte. Wenn
man ihnen eine umfängliche soziale Betreuung und Hilfe im fremden deutschen Alltag böte. Wenn man ihnen Sprachkurse anböte und sie letztlich in den Arbeitsmarkt vermittle. Wenn man sie in Vereine einbeziehe.
Nur so könne eine Integration gelingen. Denn eines sei bereits jetzt absehbar, stellte Fabian klar: »Die meisten der jetzt zu uns Kommenden werden lange, wenn nicht gar für immer bleiben. Wir
brauchen Ihre Unterstützung.«
Die Stadt organisiert. Die Gesellschaft integriert.
Neben allen Appellen, Vorwürfen, Unter- und Richtigstellungen kam am Rande auch das zur Sprache, worum es an diesem Abend eigentlich gehen sollte: Die geplante Unterkunft für 38 Menschen im Haus 10 der Robert-Koch-Klinik. 17 Doppel- und vier Einzelzimmer sowie mehrere Gemeinschaftsräume, Sanitäranlagen und eine Gemeinschaftsküche mit Speiseraum beherbergt der Flachbau auf dem öffentlich zugänglichen Parkgelände. Hinzu kämen Büroräume für die Caritas, welche mit der sozialen Betreuung beauftragt wurde und Räumlichkeiten für den Sicherheitsdienst, der für die 24-Stunden-Bewachung vor Ort zuständig sein wird. Zum Objekt gehört ebenso eine umzäunte Freifläche. Der Pachtvertrag mit dem Klinikum St. Georg ist für zehn Jahre unterzeichnet und die monatlichen Gesamtkosten dafür auf rund 4.000 Euro beziffert.
Wer nun aber Anfang Dezember konkret einzieht, wusste man einen Monat zuvor noch nicht. Sozialamtsleiterin Martina Kador- Probst: »Die Puzzle-Arbeit beginnt, wenn wir wissen, wer genau unserer
Kommune zugeteilt wird. Dann erst können wir schauen, wen wir wo unterbringen. Dabei achten unsere Mitarbeiter auf jedes Detail. Das können Sie mir glauben.«
Nach eineinhalb Stunden war die Veranstaltung wie geplant beendet – drei weitere stehen noch bevor (siehe nebenstehender Kasten). Die beiden Dezember-Termine zu den Unterkünften im Deiwitzweg und in der Weißdornstraße dürften dabei besonders interessant werden. Denn gegen die Planungen gibt es bereits Protest: So wurde die ehemalige Kita im WK 8, welche zur Zeit für die Nutzung ab 2016 umgebaut wird, bereits zweimal mit fremdenfeindlichen Parolen und Hakenkreuzen beschmiert.
Während dort aber lediglich 88 Personen untergebracht werden sollen, geht es bei der Einrichtung in der Parkallee um zirka 300 künftige Bewohner. Gegen diese Pläne hatte sich bereits vor drei Jahren die
Bürgerinitiative »Für dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden«
gegründet. Sie ist auch heute wieder aktiv. Nicht, wie wir leider im November-Heft fälschlicherweise
verkündeten, mit einer Unterschriftenaktion. Vielmehr sind die Akteure um einen Austausch mit der Verwaltung bemüht. Ein erstes Treffen habe bereits stattgefunden. Etwaige Ergebnisse dieser Zusammenkunft
wurden nicht bekannt.