Liebe Leserinnen und Leser,
ein Thema beschäftigt alle - Hartz IV. Montags ist wieder Demotag in Leipzig und anderswo. Die Angst sitzt den Betroffenen im Nacken und treibt sie auf die Straße. Weder die Panikmache der Medien noch die verspätete Aufklärungskampagne der Regierung ist hilfreich. Vielmehr fragt sich der Leser dieser Info-Anzeigen, ob die Macher von Hartz IV mal ein Praktikum im normalen Leben absolvieren sollten.
Oberstes Ziel sei die schnelle Vermittlung von Menschen in Arbeit heißt es so schön. Doch
bitte, wo gibt es die denn? Hier im Osten sicher nicht und sie wird auch nicht kommen mit einem
Herumdoktern an Symptomen. Die Gesetze Hartz I bis III mit Angeboten wie Mini-Jobs und Ich-AGs
haben kaum etwas gebracht. Ich-AG-ler kämpfen ums Überleben oder mussten schon aufgeben. Da
bliebe noch die »Umgestaltung«
der Arbeitsämter zur Bundesagentur für
Arbeit. Schicker Name für ein altes Produkt, das dem eigentlichen Problem - fehlende
Arbeitsplätze - nicht auf die Beine helfen kann.
Nach dem Prinzip »Fördern und Fordern«
sollen Arbeitslose betreut werden.
Die Mehrzahl der Langzeitarbeitslosen hat eine Odyssee hinter sich. Unendlich viele
Bewerbungen, Absagen und wenige erfolglose Vorstellungsgespräche. Manchmal allerdings staunt
der Bewerber nicht schlecht: Praktika, die von potentiellen Arbeitgebern immer häufiger als
Bedingung für eine Einstellung gefordert werden, erweisen sich oft als legale Jobbremse. Viele
Unternehmen sparen sich mit den motivierten Mitarbeitern auf Zeit teure Arbeitsplätze. Das
Ganze wird von der Arbeitsagentur als Trainingsmaßnahme großzügig finanziert. Hoffnung bleibt
auf der Strecke und mitunter auch der Lebensmut, wenn auf eine persönliche Niederlage die
nächste folgt.
Die Ostdeutschen brauchen realistische Perspektiven ohne Massenabwanderung. Die
Wirtschaftskrise wird sich durch Hartz IV eher verstärken. Mit rapide sinkenden
Haushaltseinkommen wird die Binnennachfrage weiter zurückgehen. Eine Spirale ohne Ende! Das
Zauberwort heißt Arbeitsplätze. Ein Weg: Große, erfolgreiche Unternehmen (davon gibt es nicht
zu knapp) zahlen ihre Gewerbesteuer ohne Schlupflöcher wieder in Deutschland an die Kommunen.
Diese können ihren eigentlichen Aufgaben gerecht werden und z.B. Bauaufträge vergeben. An
maroden Schwimmbädern, Bibliotheken oder Kulturhäusern, die einer Schönheitskur bedürfen,
mangelt es bekanntlich nicht. Der Bau galt schon mal als Konjunkturlokomotive. Und Tausende gut
ausgebildete Facharbeiter und Ingenieure warten auf ihre Chance. Sie sind heiß auf Arbeit in
diesem Herbst und nicht auf staatliche Förderung a la Hartz IV.
Ulrike Witt