MAGDAS QUERBLICK
Es lebe die Bürokratie
Neulich staunte ich nicht schlecht. Da führte mich mein zum Dia-Vortrag der VHS ins KOMM-Haus. Vier
Euro Eintrittsgeld klimperten lustig in meiner Hosentasche. Am Eingang kramte ich sie aus selbiger
hervor und hielt sie dem Einlasser hin. Aber der wollte es gar nicht. »Wo gibt es denn so was?«
, dachte
ich. Noch einmal wollte ich die Münzen anbieten - jedoch ohne Erfolg. Da glaubte ich beinah, in
deutschen Landen hätte es eine Währungsreform gegeben, oder besser noch eine Revolution - ein
Systemsturz quasi - unbemerkt und leise, aber mit einem positiven Aspekt für alle Menschen, die sich
gerne bilden, denen aber das nötige Kleingeld dafür fehlt.
Während ich mich noch über so viel Entgegenkommen wunderte und sinnierte, ob es vielleicht gar keine Revolution gewesen sei, sondern die Stadt Leipzig gar unverhofft ein paar Millionen - ach was sag ich - Milliarden wieder gefunden hat und nun Kultur im größeren Stil subventioniert, bekamen ich und meine Revoluzzer-Phantasie einen herben Dämpfer. Meine illusionären Tagträume zerplatzten unter der Kellerdecke des KOMM-Hauses und mein Hirn versuchte das zu verarbeiten, was ich da gerade vernommen hatte.
Nicht etwa, dass ich den Genuss komme, mir eine Veranstaltung anzuschauen, ohne dafür zu bezahlen. Man würde mir eine Rechnung stellen - über vier Euro! Zuvor hätte ich aber noch eine Karte mit Namen und Adresse auszufüllen - damit die Rechnung auch ankommt. Nun bin ich ja eine ehrliche Seele. Ehrlich aber doof. Wie leicht hätte ich einfach den Namen eines ungeliebten Mitmenschen angeben können, der sich dann über eine Zahlungsaufforderung freuen dürfte und ich mich über einen kostenfreien Kulturabend. Aber selbst wenn ich nicht zur absoluten Ehrlichkeit erzogen worden wäre, hätte mich diese Art von Bürokratie wahrscheinlich am klaren Denken und falschen Angaben gehindert.
Denn man stelle sich einmal vor, welcher Verwaltungsakt hinter dieser Rechnungsaktion steckt. Der Veranstalter muss also zunächst alle Personalien aufnehmen, was abgesehen von datenschutzrechtlichen Bedenken auch eine Verzögerung am Einlass bedeutet. Danach müssen all die Karten eingereicht und vom Rechnungssteller bearbeitet werden. Überweisungsformulare müssen erstellt, eingetütet, mit einer Briefmarke versehen und letztlich noch abgeschickt werden.
Richtig teuer und aufwendig wird es allerdings, wenn nicht alle Veranstaltungsbesucher so brav sind wie ich und ein Mahn- oder gar Vollzugsverfahren angestrengt werden muss. Das einzig Gute an dieser Prozedur, die natürlich auch jede Menge Geld der Verwaltung verschlingt, ist vielleicht die Erhaltung von Personal, welches mit solchen Aufgaben betraut wird.
Dabei kann man nicht einmal der Volkshochschule als Verursacher von so viel Schwachsinn einen Vorwurf machen. Denn die ist gar nicht Verursacher, sondern reagierte lediglich auf eine Anweisung des Rechnungsamtes, das auf einen Passus im Haushaltrecht pocht. Demnach dürfe die VHS für Veranstaltungen nur nummerierte Abrisskarten gegen Bargeld veräußern. Das wiederum bedeutet einen Riesenaufwand, weil die nicht irgendwo in der Löhrstraße rumliegen, sondern extra beim Hauptamt beziehungsweise der Stadtfinanzkasse vorher beantragt und im nachhinein abgerechnet werden müssen ...
Zwei Fazits ziehe ich aus dieser Geschichte: 1. Wir leben hier nach wie vor nicht im kostenlosen Kultureldorado und 2. Auch wenn andere deutsche Tugenden schon längst den Bach runter gegangen sind - die Bürokratie wird uns niemals abhanden kommen.
magda