Grün-As

Leben mit Hartz IV

Das Thema Hartz IV füllt momentan die Schlagzeilen der Presselandschaft. Grund dafür sind die steigenden Lebensmittelpreise, die für die Bezieher von ALG II und Sozialhilfe zu einem echten Problem werden können. Während die regierende Große Koalition aus SPD und CDU keinen Handlungsbedarf sieht, fordern die Wohlfahrtsverbände, die aus WASG und PDS neu gegründete Partei »Die Linke« und neuerdings auch die Grünen mehr Geld für die Menschen, die auf Hartz IV angewiesen sind. Hilfe kommt zum Beispiel von der Diakonie Leipzig, die im Familienzentrum gegen Vorlage des Leipzig Passes ein Schulessen für 30 Cent anbietet.

Sachsen Schlusslicht bei der Betreuung

Durch eine Anfrage der Bundestagsfraktion »Die Linke« wurde bekannt, dass Sachsen das Schlusslicht bei der Betreuung von »Langzeitarbeitslosen«, also Hartz-IV-Empfängern ist. Bei der ARGE kommen auf einen Vermittler 193 Menschen über 25 Jahre, bei der Betreuung von Unter-25-Jährigen liegt das Verhältnis bei 1:108. Die politischen Diskussionen und Zahlen sind die eine Sache. Doch wie steht es um die alltägliche Realität bei der Beantragung von ALG II? Wir waren für das »Grün-As« bei der ALGII-Beratung im Grünauer KOMM-Haus, um uns ein Bild von der momentanen Situation zu machen.

Normalerweise würde uns Sigrid Hempel vom Leipziger Erwerbslosenzentrum (LEZ) gegenübersitzen. Sie war leider krank und wir sprachen mit ihrer Vertretung, Bettina Nowack. Sie ist, wie viele Kollegen und Kolleginnen des LEZ, in die ABM-Maßnahme als ehemalige ALG-II-Empfängerin gekommen und kennt die Probleme, mit denen die Hilfesuchenden zu ihr kommen, aus eigener Erfahrung. Oft ist es das Gefühl, dass mit dem Bescheid etwas nicht »in Ordnung« ist, das die Menschen in die Sprechstunde bringt. Die größte Aufgabe in der Beratung ist es, den Menschen die Aggressionen zu nehmen, wie Bettina Nowack uns verrät. Denn diese verbauen oft die Kommunikation mit den zuständigen Sachbearbeitern der ARGE.

Praktische Hilfe

Die Beratung ist keine Rechtsberatung im eigentlichen Sinne, denn die Kolleginnen sind keine ausgebildeten Juristinnen. Vielmehr steht die Hilfe zur Selbsthilfe im Vordergrund. In harten Fällen kann ein Gespräch mit einem Rechtsanwalt des LEZ vermittelt werden. Durch die ARGE wird in der Regel nicht erklärt, was der Bescheid zum ALG II bedeutet, oftmals können in der Beratung Fehler in den Berechnungen aufgedeckt werden. Die Betroffenen finden Hilfe bei der Formulierung von Widersprüchen. Das LEZ hat auch eine hausinterne anonyme SchuldnerInnenberatung, welche aufgesucht werden kann.

Dass es bei Hartz IV nicht immer mit rechten Dingen zugeht, besagen auch die Zahlen des Sozialgerichts Leipzig. Laut Auskunft des Pressesprechers, Michael Pies, gingen 1520 Klagen und Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz in diesem Bereich ein, eine ständige Steigerung ist zu verzeichnen, wie die LVZ berichtete. Im Jahr 2006 wurden 42 Prozent der abgeschlossenen Verfahren positiv beschieden, allerdings ist hier ein hoher Prozentsatz von »Untätigkeitsklagen zu berücksichtigen, bei denen Klageziel die Entscheidung einer als säumig betrachteten Behörde über einen Antrag oder Widerspruch ist«, wie das Sozialgericht mitteilt. Mit anderen Worten: Die Fristen wurden von der Behörde selbst nicht eingehalten.

Wie geht es den Menschen, die von Hartz IV betroffen sind? Eine Frau, die uns im KOMM-Haus begegnete und anonym bleiben möchte, findet klare Worte: Verletzende und beleidigende Begründungen der ARGE seien an der Tagesordnung. Sie fühle sich nach längerer Zeit mit ALG II »wie eine Ertrinkende, die paddelt, aber weiß, dass sie es nicht ans Ufer schaffen wird«. Bleibt zu hoffen, dass wir irgendwann aus der Hartz-IV-Falle herauskommen.

Stefan Fulz, Helene Jeske
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