Grünau: Zentrum der »Bürgerbewegung«
?
Es soll ja Leute geben, die beim Namen Grünau sofort abwinken und ihre Augen, Ohren und Herzen verschließen. Manchmal jedoch, so scheint es, da vermag der gleiche Name Tür und Tor zu öffnen. Das könnte daran liegen, dass der Stadtteil mit seiner meist unberechtigt negativen Außenwahrnehmung und mitsamt seinen Bewohnern als besonders benachteiligt gilt und darum außergewöhnlicher Zuwendung bedarf - mit Fördergeldern finanzierter Aktionen beispielsweise.
Am 24. September wurde den Grünauer Aktiven ein solches Projekt vorgestellt - im Rahmen einer so genannten
Auftaktkonferenz. Der Titel ließ Großes erahnen, ebenso der volle Veranstaltungssaal der Völkerfreundschaft sowie die
Grußwortgäste: Bürgermeister Prof. Dr. Thomas Fabian, Anke Kahnt von der Sächsischen Bildungsagentur und Dr. Petra
Tzschoppe - Vizepräsidentin Breitensport des Landessportbundes Sachsen. Diese grüßten nicht nur, sondern fanden durchaus
auch die richtigen Worte - kurz, prägnant und zuhörerwirksam. Es gehört ja auch zu deren Job. Was sie jedoch leider nicht
vermochten, war dem Aktionsbündnis »Grünau MOVE«
die fehlende Substanz hineinzureden.
»Grünau MOVE«
(für Anglizismenverweigerer: »Grünau bewegen«
) klingt dabei so
smart, wie die Initiatoren des Leipziger Bündnisses aussehen. Fünf junge Diplomempfänger der Universität Leipzig gaben sich
redlich Mühe, ihre Idee der »Bürgerbewegung«
zu erklären. Ihr Modellprojekt »Zur Förderung
Gesunder Lebensstile und Lebenswelten«
wurde in einer bundesweiten Ausschreibung neben 24 weiteren auserwählt und
soll sich auf Bewegungsförderung, Verbesserung des Ernährungsverhaltens und Stressbewältigung konzentrieren. Hehre Ansätze
vor dem Hintergrund des allgemeinen Bewegungsmangels in Deutschland.
Doch damit nicht genug. »Grünau MOVE«
will mit seinem Konzept insbesondere sozial benachteiligte
Menschen ansprechen und »tragfähige und nachhaltige Strukturen und Netzwerke zur Bewegungsförderung sowie zur
Verbesserung des Ernährungsverhaltens bilden.«
Für beide Anliegen scheint Grünau wie geschaffen zu sein. Denn
sozial benachteiligte Menschen vermutet man hier zuhauf und Vernetzungspunkte gibt es tatsächlich einige.
An jenem Septembertag waren die zu verknüpfenden Punkte alle geladen, sich das Konzept des Aktionsbündnisses anzuhören
und anschließend mit dessen Protagonisten in Kontakt zu treten. Vertreter von Kindergärten, Schulen, professionellen
Fitnessstudios, Sport- und Bürgervereinen, des Stadtelternbeirates, Krankenkassen und Wohnungsgenossenschaften, Politiker
sowie Sozialarbeiter fanden den Weg in die Völle. Vielen von ihnen war die Skepsis ins Gesicht geschrieben. »Den
Tod mit Messer und Gabel«
, wie Prof. Fabian die gesellschaftliche Gefahr der Neuzeit eindrücklich benannte,
unterschätzt sicher niemand der Anwesenden. Dennoch muss man sich fragen, ob Diskussionen, Analysen und Projektansätze
ausreichen, um das Problem der »Volksverdickung«
nachhaltig in den Griff zu bekommen.