»Einfach mehr Bus«
bringt zweifach weniger Straßenbahn
Verkehrsbetriebe stellen Änderungen im Liniennetz vor: Linien 2 und 8 werden in Grünaus Mitte gekappt
Ekkehard Westphal hat eher schlechte Nachrichten im Gepäck, als er die Höhle des Löwen betritt. Beim »Forum
Grünau«
warten etwa 100 Teilnehmer auf seine Ausführungen. Der Planer der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) hat
die undankbare Aufgabe, das neue Liniennetz genau denen vorzustellen, die zugunsten von gesamtstädtischen Verbesserungen
mit den größten Einschränkungen leben müssen. Denn die Bahnlinien 2 und 8 werden ab 10.10.2010 nur noch bis zur Mitte
Grünaus fahren.
Seine Mission ist eindeutig: Planer Westphal ist gekommen, um für Verständnis zu werben. Denn auch mit bestem Marketing
ist den Grünauern das »Netz 2010«
nicht als Erfolg zu verkaufen. »Wir müssen
sparen!«
, hallt die Begründung durch die Völkerfreundschaft. Mit harten Fakten beweisen die LVB-Graphiken, die
übrigens unter lvb.de schmuck aufbereitet sind, dass die Planer mit ihren Änderungen unter dem Motto »Einfach
mehr Bus«
den Spagat zwischen Sparzwang und attraktiver Neuausrichtung schaffen.
Nur eben nicht für Grünau. Denn je ein eingesparter Wagenzug auf den Linien 2 und 8 bringt zwar die größte finanzielle
Entlastung im Gesamtgerüst, trifft aber nur diejenigen, die stadtauswärts gesehen hinter Schönauer Ring oder Ratzelbogen
wohnen. »Dort liegt die Bedienung derzeit auf zu hohem Niveau«
, kontert Westphal, »und selbst
mit den verbleibenden Linien 1 und 15 erfüllen wir bequem die Anforderungen des Nahverkehrsplans.«
Dieser ist die
politische Grundlage und damit die Aufgabe für die LVB als Dienstleister.
Unruhe im Saal, denn das Empfinden der Betroffenen (»Die Bahn ist immer voll!«
) und die
Fahrgastzählungen divergieren in diesem Punkt. Konfrontationen wie beim Thema Stadtumbau sind dennoch Fehlanzeige.
Westphal, der nicht zum Buhmann abgestempelt wird, sagt im Nachgang: »Aus Sicht der Betroffenen ist die
Enttäuschung verständlich. Ich hätte sogar mehr Gegenwind erwartet.«
Viele Lobbyisten aus Politik und
Sozialbereich sind da, etliche verschaffen sich Gehör und kommen schnell auf andere Themen: Niederfluranteil,
behindertengerechte Haltestellen, Ökologie.
»Seit den Veröffentlichungen habe ich ständig besorgte Bürger am Telefon«
, betont Moderatorin und
Stadtteilmanagerin Antje Kretzschmar die Bedenken der Bewohner. Westphal kann nur stellenweise lindern, verspricht
Prüfungen aller sinnvollen Anliegen. Weswegen die Planungen auch so früh und transparent veröffentlicht würden, wie die LVB
zu Recht betonen. Im späteren Interview erklärt Westphal, welche Möglichkeiten daraus entstehen können - und welche nicht.
Eine der machbarsten Bürgeranregungen, die Linie 2 wenigstens im Berufsverkehr bis Lausen zu verlängern, kommentiert der
Planer so: »Zum einen beweisen die Zahlen, dass es auch dann nicht nötig ist. Außerdem können wir dann den
Wagenzug nicht einsparen.«
Überall, wo es jedoch um finanziell Grundsätzliches gehe, gebe es keinen Spielraum: Es
geht um 500.000 Euro jährlich.
Der Hinweis, zu Zeiten der bevorstehenden Vollsperrung der Lützner Straße die Bahnen zu reduzieren, obwohl diese die
Baustelle passieren können, scheitere leider aus demselben Grund: »Außerdem ist doch die Linie nicht ganz weg aus
Grünau«
. Hingegen werde überlegt, ob das Ärztehaus Lausen doch eingebunden bleibt. Auch Schülerverkehre würden
nochmals geprüft, weil Bedenken gegen die Einstellung der Überlandstrecke Lausen-Großzschocher geäußert wurden. Westphal
tritt jedoch deutlich auf die Bremse: »Die Einsteigerzahlen sind dürftig, und wegen Einzelfällen können wir das
wirklich nicht ermöglichen.«
Höchst interessant ist die geplante Zubringervariante für Schönau mit kleinen Bussen: Weil die Linie 8 nach Grünau-Nord keine Ganztagslinie ist, soll außerhalb der Betriebszeiten ein Bus einmal im Uhrzeigersinn ums Karree fahren und für den Weitertransport von und nach Schönau sorgen - bestenfalls als zusätzliche Schleife einer Linie aus der Weißdornstraße mit Weiterfahrt nach Lausen.
Eine clevere Idee, die neue Zustiege bringt und fast zu schade nur für die Nebenzeit ist. Weil die 8 dort bis Grünau- Nord fährt, bestünde jedoch tagsüber kein Handlungsbedarf, weswegen auch die Linie 63 entfällt. Moderate Änderungen gibt es auf Linie 61, und abschließend kann Westphal zumindest mit einer deutlichen Verbesserung aufwarten: Der neuen Linie 62, die mehr leistet als die heutige 129 der LVB-Tochter Leobus.
Reinhard Franke