Editorial
Liebe Leserinnen und Leser, die Leipziger dürfen sich in diesen ohnehin historischen Oktobertagen einmal mehr gemeinschaftlich auf die demokratischen Schultern klopfen. Zum wiederholten Male machten sie nämlich ganz deutlich, dass sie nicht gewillt sind, ihre Stadt und ihre Straßen dem rechten Mob zu überlassen.
Der hatte innerhalb kürzester Zeit gleich vier Aufzüge angemeldet. Der Sternmarsch sollte aus allen Himmelsrichtungen im Zentrum der Messestadt zusammenlaufen und dort in einer machtvollen Demonstration rechter Kräfte enden. Daraus wurde jedoch nichts und dies ist nicht nur dem dieses Mal cleveren Vorgehen der Stadtverwaltung zu verdanken, die ein gerichtlich niet- und nagelfestes Verbot einer Veranstaltungen erließ und die übrigen drei zu lediglich einer lokalen Kundgebung erlaubte.
Nein - auch in diesem Jahr leistete ein breites Bündnis - ohne Beachtung sonstiger Zwiste und persönlicher
Befindlichkeiten - großartige Arbeit und stellte binnen weniger Tage tausendfachen Widerstand auf die Beine. Eigentlich
müsste man von Widersetzen sprechen, denn das Aktionsnetzwerk, das gemeinsam mit dem Antifa-Bündnis »Roter
Oktober«
zu Protesten aufrief, hieß wie schon 2009 »Leipzig nimmt Platz«
und das war wörtlich
zu nehmen. Beinah 100 Gegenaktionen - davon allein 52 Mahnwachen an Leipziger Kirchen - waren angemeldet - darunter
geplante und spontane Sitzblockaden, die Neonazis daran hindern sollten, zu ihrem Versammlungsort zu gelangen oder gar
spontane Alternativaktionen zu starten.
Denn als die Veranstalter ein erneutes Demo-Desaster (wie am 17.10.2009, als zirka 1400 rechte Gesinnungsgenossen stundenlang in einem Polizeikessel ausharren, sich erkennungsdienstlich behandeln lassen mussten und obendrein noch gegen alle Anzeige wegen Landfriedensbruch erhoben wurde) argwöhnten, riefen sie vorbeugend zu kleinen dezentralen Demonstrationen und Protesten auf - sprich: Das ganze Stadtgebiet sollte Anteil am Spektakel haben und hatte es letztlich.
Auch Grünau kam in den »Genuss«
einer spontanen Ansammlung von etwa 80 Nationalisten, die sich an der
Lützner Straße versammelten. Wenn sie gekonnt hätten, wie sie wollten, wären sie sicher einmal die Straße auf- und wieder
ab marschiert (exerzieren liegt ihnen ja bekanntlich) und hätten wohl fernab jeglicher Aufmerksamkeit ihre Parolen gerufen.
Allein es kam nicht dazu, denn abgesehen von ein paar Polizisten, sind wohl auch ihre politischen Gegner auf sie aufmerksam
geworden und dem Stadtteil blieb der Anblick des skandierenden Häufleins erspart. Andernorts verliefen ähnliche Versuche
ähnlich.
Am Ende des 16. Oktober stand das Fazit: Alles richtig gemacht! Keine oder kaum Gewalt angewandt und doch klar Position bezogen. Vielleicht waren auch Sie dabei - dann gebührt Ihnen mein ganz persönlicher Dank und meine Anerkennung. Es ist heutzutage schon viel wert, sich als Demokrat zu bezeichnen und tatsächlich nach dieser Maxime zu leben. Noch mehr wert ist es jedoch, sich aktiv daran zu beteiligen, dass menschenverachtende Ideologien nicht öffentlich zu Gehör gebracht werden dürfen und die deutsche Geschichte nie in Vergessenheit gerät.
In diesem Sinne sind alle Grünauer eingeladen, am 9. November zum Stolperstein von Albin Jakobowitz in der Hermann-Meyer-Straße 1 zu kommen und am 72. Jahrestag der Reichspogromnacht der Opfer der Nazidiktatur zu gedenken.
Ihre Klaudia Naceur