Räuchermännel und Co. erobern Einraumwohnung
Dietmar Busch: leidenschaftlicher Sammler und Schnitzer mit erzgebirgischen Wurzeln
Sie lieben Weihnachten? Nur nicht so, wie es in unserer hektischen Zeit verramscht wird? Sie mögen dafür altes Holzspielzeug und Miniatur-Figuren? Sie lieben es still und friedlich, sie mögen Räuchermänner, Nussknacker, Lichterengel und Co? Dann lassen Sie sich von Dietmar Busch erzählen. Beim Anblick seiner Schnitzereien und Sammlerstücke bekommen kleine Kinder große Augen und Erwachsene ebenso - und das nicht nur zur Weihnachtszeit.
Denn bei diesem Grünauer ist praktisch das ganze Jahr über schönste Vorweihnachtszeit. Wie das geht? Was man dafür braucht? Nicht viel: eine Einraumwohnung, ein bisschen Sammelleidenschaft, geschickte Hände und starkes Heimatgefühl. So stark, wie es bei einem gebürtigen Erzgebirger gar nicht anders sein kann. Denn was tut diese besondere Spezies, wenn es sie aus beruflichen Gründen in die Fremde verschlägt? Sie nimmt die Heimat - symbolisch betrachtet - einfach mit; in Form unzähliger Erzgebirgsfiguren.
Bestes Beispiel ist Dietmar Busch: Kaum war der junge Mann aus dem gemütlichen Flöha in die Großstadt gezogen, packte er Figuren und Pyramiden aus und fühlte sich zuhaus. Rund 30 Jahre ist es nun schon her. Konnten sich Räuchermännchen und Co. bei der Ankunft noch voll entfalten, stehen sie nun in mehreren Reihen in den Regalen der Einraumwohnung. Viele neue Stücke sind dazu gekommen - einige davon hat er erworben, andere gesammelt.
Dazu gehören auch über einhundert Jahre alte Figuren oder jene des erzgebirgischen Volkskünstlers Karl Müller aus
Seiffen - einer der bekanntesten Schnitzer seiner Generation. »Höchstens 1000 Figuren aus seiner Hand werden
vielleicht noch existieren«
, schätzt Busch. Umso mehr freut sich der passionierte Sammler über Holzweibl,
Waldarbeiter, Bergmänner und andere Arbeiten von ihm. Und auch eine Pyramide aus der Müllerschen Werkstatt befindet sich in
seinem Besitz: 1,10 Meter hoch und gut verpackt hat sie ihren Platz auf dem heimischen Kühlschrank gefunden.
Doch der Sammler aus Leidenschaft wird auch selbst zum »Männelmacher«
oder
»Krippenbauer«
und greift zu Drechseleisen und Schnitzmesser. Eine seiner Krippen - welche die
Geburtshöhle von Bethlehem nachempfindet - schuf er aus einem Weinstock. Für die Figuren eigne sich dagegen Lindenholz
recht gut, »sehr schwierig ist das Schnitzen und Drechseln eigentlich nicht«
, erklärt der Grünauer
bescheiden: »Die Figur steckt ja schon im Klotz drin, man muss sie nur rausholen.«
Das kann wohl nur
einer sagen, der es von der Pike auf gelernt hat. »Geschnitzt und gedrechselt haben die Jungen im Werkunterricht -
die Mädchen haben geklöppelt.«
Und wer wird an der Drechselbank im Leutzscher Garten zum Leben erweckt? Nussknacker mit fröhlicher Miene beispielsweise
- »streng nach vorn blickende Herrn gibt's ja schon genug«
, findet der Kunsthandwerker zurecht. So ist
es kein Wunder, dass auch Kuriositäten in der heimischen Sammlung stehen - wie etwa eine überlange Nase oder ein
Teufelskopf als Nussknacker. Hat der Sammler Lieblings - stücke? Aber natürlich. Zu ihnen gehört auf jeden Fall der
Bergmann. Ihn habe er anlässlich seiner Geburt geschenkt bekommen.
»Die Mädchen erhielten einen Engel - die Jungen einen Bergmann.«
Ins Fenster gestellt, wussten die
Vorübergehenden sofort Bescheid - ein Kind ist »angekommen«
. Eine solche Ankunftszeit sei auch die
Adventszeit: Dann leuchten unzählige Lichter in den Fenstern - und die Erzgebirger gehen zum »Lichteln«
von Haus zu Haus: Mal schaun, was der Nachbar neu im Fenster habe. Der Brauch gehe zurück auf jene Zeit, als Bergleute
meist schon früh um vier Uhr zur Arbeit zogen und erst spät im Dunkeln zurückkamen, so Busch. Die Frauen stellten die
Lichter ins Fenster, damit die Männer besser nach Hause finden.
Von diesen Jahren berichtet auch eine sogenannte Froschlampe im Besitz von Dietmar Busch - eine Grubenlampe, deren Namen
von der Form eines sitzenden Frosches abgeleitet wurde. Im Funzellicht dieser Lampe leisteten die Bergleute dann ihre
mühsame Arbeit - bereits zehnjährige Jungen wurden eingesetzt und mussten schwere Loren ziehen. »Lichteln
gehen«
ist im Grünauer Sechsgeschosser natürlich nur schwer möglich - wie gut, dass es das KOMM-Haus gibt. Dort
stellte Dietmar Busch in diesem Jahr nun bereits zum dritten Mal aus. Dann komme er auch immer mit den Besuchern ins
Gespräch und erzähle erzgebirgische Geschichte und Geschichten.
Er berichtet, wie die Holzbearbeitung einst begann, als die Bodenschätze weniger wurden und sich die Einwohner neue
Berufe suchen mussten. Geprägt von diesen Einflüssen, seien die Erzgebirger ein ebenso zäher wir freundlicher
Menschenschlag - mit starkem Gerechtigkeitssinn und Traditionsbewusstsein. »Sie engagieren sich für soziale
Projekte oder spenden für ihre alten Dorfkirchen.«
Viele gute Erinnerungen gibt es also an die erste Heimat.
Zurück möchte er dennoch nicht: »Ich habe in Leipzig meinen Beruf und meinen Freundeskreis gefunden, fühle mich
hier wohl«
, sagt der Grünauer mit erzgebirgischen Wurzeln. Im Flachland wohl fühlen sich auch Räuchermännel und
Co. - wer von ihnen hat schon eine ganze Grünauer Einraumwohnung fast für sich allein.