Der »Grünolino«
fährt ab 19. März als neue Buslinie 66 durch Grünau
Am 19. März geht der »Grünolino«
erstmals auf Tour durch Grünau. Der Quartiersbus mit der offiziellen
Bezeichnung Linie 66 ist in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes. Das Konzept für die Linie durch den größten Leipziger
Stadtteil sucht seinesgleichen in Deutschland: Die Idee hatte die Grünauer Bürgerschaft, Sponsoren stellen in den kommenden
zwei Jahren den größten Teil der Linienfinanzierung sicher und die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) übernehmen den
Betreiberpart.
Der »Grünolino«
-Rundkurs verbindet ab 19. März die einzelnen Grünau-Wohnkomplexe mit wichtigen Zielen
innerhalb des Stadtteils wie Einkaufsmärkten, Behördenstandorten und Ärztehäusern. Gefahren wird im Stundentakt - montags
bis freitags von 8 bis 19 Uhr sowie samstags von 9 bis 19 Uhr.
Allee-Center ist Start- und Zielpunkt
Start- und Zielpunkt der Linie 66 ist zur vollen Stunde das Allee-Center in Grünau. Dort haben die LVB eine neue
Haltestelle errichtet - in der Offenburger Straße in unmittelbarer Nähe zum Center-Nordzugang. Die Kosten dafür und alle
weiteren Haltestellen, die für »Grünolino«
gebaut werden mussten, steuerte das Amt für Stadterneuerung
und Wohnungsbauförderung (ASW) der Stadt Leipzig aus dem Förderprogramm »Soziale Stadt«
bei. Das betraf
rund die Hälfte der insgesamt 30 Haltestellen. Die Fläche für die Start- und Endhaltestelle am Allee-Center stellte die
Leipziger Wohnungsbaugesellschaft kostenlos zur Verfügung.
Die LVB haben für die Linie 66 einen neuen Kleinbus vom Typ Mercedes Sprinter City 65 bestellt. Dieser verfügt über 15 Sitzplätze und ist mit Stellflächen für Rollstühle oder Kinderwagen ausgestattet. Da das Fahrzeug jedoch nicht bis zum 19. März in Leipzig angeliefert werden kann, kommt zunächst ein Bus vom Typ Solaris Alpino zum Einsatz. Diese Fahrzeuge bewähren sich derzeit bereits im LVB-Liniennetz, unter anderem auf der erfolgreichen Quartiersbuslinie 77. Die LVB stellen das Fahrzeug sowie die Fahrer und binden die Linie 66 in ihr Vertriebsnetz sowie Marketingaktivitäten ein.
Mit kleinem Bus dichter ran an abgelegene Gebiete
Mit dem »Grünolino«
wollen die daran beteiligten Partner ein Angebot schaffen, das speziell auf die
zunehmend ältere Bevölkerung von Grünau zielt. »Für viele dieser Menschen sind die vorhandenen Straßenbahn- und
Buslinien für die täglichen Wege nur bedingt nutzbar«
, sagt Holger Flache, Leiter des Geschäftsbereichs
Verkehrsmanagement bei den LVB. »Mit dem kleineren Bus versuchen wir, dichter an die abgelegeneren
Wohngebietsteile zu kommen und hoffen, dass dies bei den Anwohnern gut ankommt.«
Umfangreiche Verkehrsdatenerhebungen im Vorfeld sowie eine Marktanalyse im Frühjahr 2010 würden einen gewissen
Optimismus für den Erfolg der Linie 66 nähren, so Flache. Die LVB habe bereits in den vergangenen Jahren eigene
Überlegungen angestellt, wie mit der veränderten Alterspyramide in Grünau umgegangen werden könne. Was dabei stets fehlte,
war das Geld. »Wir sind deshalb sehr dankbar dafür, dass sich die Grünauer Bürgerschaft hier so aktiv eingebracht
hat, um die Mobilität innerhalb des Stadtteils zu verbessern«
, sagt Holger Flache.
»Club der Nachdenklichen«
hatte die Idee
Die Idee für die Quartiersbuslinie 66 entstand im »Club der Nachdenklichen«
(C.d.N.). Diese Grünauer
Bürgervereinigung, in der sich auch viele ältere Menschen unter anderem um die Entwicklung ihres Stadtteils Gedanken
machen, hielt hartnäckig daran fest, positive Veränderungen in der Verkehrsanbindung für Grünauer zu erreichen. 2008 wandte
sich der C.d.N. an das Quartiersmanagement (QM) Grünau. Hier stießen die engagierten Bürger mit ihrem Plan einer
Quartiersbuslinie auf genauso viel Gehör wie wenig später bei den LVB.
Das QM Grünau mit Sitz in der Stuttgarter Allee 21 (Stadtteilladen) ist eines von vier Quartiersmanagements im Leipziger Stadtgebiet, welches das ASW Leipzig im Rahmen von Förderprogrammen finanziert. Die QMs sehen sich in einer Vermittlerrolle zwischen den Interessen von Verwaltung, Politik und Bürgern.
Von Anfang an war allen Seiten klar, dass sich die neue Linie nicht allein durch Fahrgelderlöse tragen kann. Alternative Finanzierungswege mussten gefunden werden. Und wurden gefunden. Ende 2009 führte das QM-Team erste Gespräche mit potentiellen Sponsoren in Grünau. Die Reaktionen waren vielerorts positiv und das Interesse für eine Grünauer Quartiersbuslinie groß.
Zehn Sponsoren geben 120.000 Euro
Insgesamt zehn Firmen und Institutionen - Wohnungsgesellschaften und Vermieter genauso wie Gewerbetreibende, Banken oder medizinische Einrichtungen - erklärten sich letztendlich bereit, den notwendigen Kostenrahmen der neuen Linie von 120.000 Euro für zunächst zwei Jahre beizusteuern. Den kleineren Teil der Gesamtsumme sollen die Fahrgeldeinnahmen einbringen.
Am 24. März 2010 - bei einem der regelmäßigen Foren des Grünauer Quartiersmanagements - wurde das »Grünolino«
-Modell erstmals der Stadtteil-Öffentlichkeit vorgestellt. Auch hier war das Interesse für die
Linie groß.
»Grünau ist immer für eine Überraschung gut«
»Wie man sieht, ist Grünau nicht nur besser als sein Ruf, sondern halt immer auch für eine Überraschung
gut«
, so Antje Kowski. Auch die Stadtteilmoderatorin vom QM Grünau freut sich auf die
»Grünolino«
-Jungfernfahrt. »Wir wollen natürlich jetzt das Vertrauen der Sponsoren
rechtfertigen.«
Überhaupt passe die neue Buslinie gut in eine positive Entwicklung des Stadtteils: »Es
passiert eine Menge in Grünau«
, sagt Antje Kowski und verweist auf das gute »Gesamtpaket
Grünau«
aus Wohnen, Bildung, Kultur und Freizeit.
»Es gibt auch wieder mehr Zuzüge als Abwanderungen«
, sagt sie. Besprochen und immer positiv begleitet
wurde das »Grünolino«
-Projekt auch im Quartiersrat Grünau. Dieses übergeordnete Gremium für Grünau gibt
es seit April 2007. Es will sowohl als interner Ansprechpartner für den Stadtteil als auch für externe Stellen (zum
Beispiel Stadtverwaltung und Politik) dienen. Der Quartiersrat setzt sich zur Hälfte aus Bürgern beziehungsweise
Bürgergremien sowie aus Vertretern thematischer Bereiche wie beispielsweise der Kinderund Jugendarbeit zusammen. Zufrieden
sind Quartiersrat und -management Grünau mit der ab März startenden »Grünolino«
-Routenführung.
Antje Kowski: »Das hätte nicht besser realisiert werden können.«
Natürlich könne und müsse man immer
über kleinere Änderungen in der Linienführung reden, wenn sich mehrheitlich ein Bedarf ergeben sollte. »Aber jetzt
lassen wir die Linie 66 erstmal losfahren, damit wir mögliche Kinderkrankheiten kennenlernen können«
, so die
Grünauer Quartiersmanagerin.
Pilot für andere Stadtteile?
Das sehen auch die LVB so. Linienführung und Fahrplan würden bei Weitem nicht so starr ausgelegt wie im üblichen
LVB-Netz. »Wir sind und bleiben hier flexibel«
, sagt Holger Flache. Mit dem
»Grünolino«
-Modell betrete das Unternehmen absolutes Neuland. Eines sei aber sicher: »Wir
machen uns damit nicht selbst Konkurrenz, sondern wollen neue Kundenströme erschließen, für die das bestehende Netz nicht
geeignet ist.«
Und man könne sich bei den LVB durchaus vorstellen, dass dies ein Pilot für andere Stadtteile
werden könne, blickt der LVB- Geschäftsbereichsleiter in die Zukunft.