Grün-As

Der Freistaat und die S-Bahn:

Die Geschichte von Aussitzen und Aussetzen

Bürgerinitiative zum Erhalt der S-Bahn hadert mit Wirtschaftsminister Morlok / Hinwendung zu den Realitäten: Was geschieht mit der Trasse?

Bei allen größeren Lokalterminen war es das immer gleiche Spiel: Ein Stuhl blieb leer. Um Namensschildchen wie »Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP)« oder »Sächsische Landesregierung« brauchte sich die Bürgerinitiative (BI) bisher keine Gedanken machen.

Deren Sprecher, Klaus Wagner, ist wenige Tage vor der nicht mehr abwendbaren Aussetzung der S-Bahn wütend und resigniert zugleich: »Wir haben 12.000 Unterschriften. Gebracht hat es nichts.« Morlok verleugne sich immerfort, so wenig Bürgernähe sei »gefährlich für unsere Demokratie«. Der Zweckverband ZVNL, der die kurzfristige Mittelkürzung um 6 Millionen Euro mit empfindlichen Kürzungen ausbaden muss, bekommt ebenfalls nicht den Fuß in die ministeriale Tür: »Wir sind immer noch dabei, einen Termin zu vereinbaren«, sagt ZVNL-Geschäftsführer Andreas Glowienka - und wiederholt sich mit diesem Satz allmonatlich. »Bitte bewerten Sie das selbst«, sagt er vor engagierten BI- Vertretern. Einer Rettung in letzter Sekunde räumte Glowienka folgerichtig geringe Chancen ein.

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Neue Gleise und neue Oberleitung im Bereich Plagwitz

Das Treffen widmet sich daher auch schnell den Realitäten, die sich aus dem Zeitspiel der Landesregierung ergeben: Kurz vor Mitternacht rollt der letzte Zug, dessen Lok mit Blumen geschmückt ist. Ein Augenzeuge berichtet, der Lokführer habe es nicht eilig gehabt und habe für eine Handvoll fotografierender Bahnfans gerne zehn Minuten Verspätung in Kauf genommen. Am Tag darauf greift das Ersatzprogramm, und unsere Leser halten nun bereits das zweite »Grün-As« in Händen, das sie nicht auf einer Fahrt mit der S 1 lesen können. Laut ZVNL werden fortan drei Millionen Euro investiert, für die die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) gleich drei Maßnahmen sofort umsetzen.

In Kürze wiederholt sind das:

  1. Quartiersbuslinie 66, besser bekannt als Grünolino, verkehrt halbstündlich
  2. Die neue Linie 80E fährt im 20-Minuten-Takt von Lausen über Schönau nach Leutzsch in den Leipziger Norden - am Wochenende halbstündlich statt Linie 61, sozusagen: wie bisher plus Verlängerung in den Norden
  3. Eine zusätzliche Straßenbahn wird im Schülerverkehr zwischen Lindenau und Miltitz eingesetzt (nur sehr wenige Fahrten)

Allerdings heißt es auch: Die Verträge seien flexibel, die Leistungen können also in Abhängigkeit von der Nutzung variieren. Im Klartext: Wenn die neue Linie 80E nicht ankommt, wird sie abgespeckt. Das ist nachvollziehbar, denn der Zweckverband hat es nicht geschafft, bei den Kürzungen ohne Deckungslücken auszukommen. Ein Minus von 1,6 Millionen Euro wird durch die Rücklagen des Verbands finanziert, immerhin drei Millionen Euro habe der ZVNL Glowienka zufolge in der Hinterhand. Die Wiederkehr der S1 mit Eröffnung des Citytunnels sei laut Glowienka mit Hinweis auf die Verträge gesichert. Zuweilen energisch tritt er Skeptikern gegenüber, die eine Rückkehr mit Erfahrungen der Art »Was man einmal einstellt, ...« bezweifeln. Die neue S1 sei ähnlich sicher wie der tägliche Sonnenaufgang.

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Neue Gleise und neue Oberleitung im Bereich Plagwitz

Klar ist: Qua seines Amtes ist der ZVNL-Chef politisch erfahren genug, dass er im Wissen um die Bumerangwirkung seiner Worte nicht unbedacht ins Blaue spricht - ein Hoffnungszeichen. Trotzdem könnte es zu weiteren Ängsten kommen, wenn nämlich die Deutsche Bahn wie gegenüber dem ZVNL angekündigt beweg - liche Teile an der Trasse abbauen lässt. Glowienka beruhigt: »Das ist keineswegs ein Anzeichen für eine endgültige Einstellung. Vielmehr lagert die Bahn solche Dinge ein, um Diebstahl und Vandalismus zu minimieren.« Dies könne sogar die Oberleitung betreffen - Buntmetall- Klau ist recht lukrativ. Neueren Aussagen der Bahn zufolge vermasselt diese den »Interessenten« aber mithilfe von 15.000 Volt das Geschäft: »Die Strecke bleibt weiterhin unter Spannung«, heißt es.

Im Übrigen knausert die Bahn mit Aussagen über ihre Verantwortung an der Trasse. Die Frage nach dem zukünftigen Streckenzustand wurde nicht beantwortet. Etwas mehr ist vom ZVNL zu erfahren: Gemeinsam mit diversen Gremien und Räten und unter Einbezug des Quartiersmanagements werde über ein Konzept für Sicherheit und Sauberkeit nachgedacht. Beispielsweise gibt es einen Anti-Vandalismus-Trupp, der des Öfteren in Grünau zu Werke sein könnte.

Reinhard Franke
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