»Es geht um Heimat« Im Interview: Buchautorin und Künstlerin Antje Stumpe »Grün-As«Worum geht es in deinem Buch, welches anlässlich zum 35. Geburtstag Grünaus erschienen ist? Antje StumpeEs geht in erster Linie um Heimat. Um das erinnerte Kindheitsparadies, welches gleichzeitig ein verlorenes ist, weil es in der Form von damals nicht mehr existent ist. Ich bin im Rahmen meines Diploms im Fachbereich Kommunikationsdesign der Kunsthochschule Burg Giebichenstein mit zwei verschiedenen Kameras in meine Heimat zurückgekehrt. Dabei begegnete ich 19 Grünauern, die alle das Gleiche vereinigt:ihren Glauben an ihren Stadtteil in Verbindung mit einem Glauben an ein Paradies, so unterschiedlich die Vorstellungen daran auch sein mögen. Der erste Teil des Buches, aufgenommen mit einer Großbildkamera, er zählt in sachlicher Distanz: »Vom Schäferidyll zum Pfarrgarten« - sowohl von öffentlichen Gärten als auch von privaten Paradiesen. Menschen, die ihr Herz an ihren Stadtteil gehängt haben, berichten von ihren begrünten Balkonen, von ihren aufgehübschten Wohnungen, von unzähligen Pflanzen im Wohn zimmer oder von dem Birkenwald im Flur.Die anschließenden Gesprächsprotokolle geben Aufschluss über die Gedanken und Träume der Grünauer Mieter. Sie reflektieren die einstige, gegenwärtige und zukünftige Situation ihres Stadtteils. Sie vergleichen mit dem Blick in den »Goldenen Spiegel der Vergangenheit« heute mit gestern und stellen fest, dass es das Paradies von damals nicht mehr gibt. Dafür aber profitiert Grünau von seinem vielen Grün - dem neuen Paradies im urbanen Raum. »Grün-As«Diesem neuen Paradies bist du im zweiten Bilderteil mit einer besonderen Kamera auf der Spur? Antje StumpeJa, mit meiner poetischen Kamera namens Holga, welche mittlerweile zum Kult erklärt wurde. Die Holgagraphien weisen alle Abbildungsfehler auf, die man sich denken kann: Vignettierungen, Verzerrungen, eigensinnige Farbcharakteristik, Unschärfen. Grünau durch die Plastelinse betrachtet, ermöglichte mir Aufnahmen verzerrter Wunschbilder, in welchen sich die Grundsehnsucht der Menschen nach Naturnähe konkretisieren. Ich spürte zum einen den Raum von Brachflächen auf, welcher umso paradiesischer wirkt, je verlassener er wird. Zum anderen habe ich mit Holga das üppige und vielschichtige Grün erkundet, welches von den Grünauern einst bewusst in den Höfen und Vorgärten gepflanzt wurde. Die Plattenbauten bleiben bei meinen Naturkompositionen nur latent im Hintergrund: »Als wäre hier das Paradies.« »Grün-As«Wa rum war es dir wichtig, diese Arbeit als Buch herauszugeben? Antje StumpeImmer wenn ich gefragt wurde, woher ich komme, stigmatisierten mich die Leute samt meiner Heimat in einem Atemzuge ab: »Ah aus dem Ghetto!«, meinten sie voreingenommen zu wissen. Das war mein Beweggrund zu diesem Buch, an welchem ich über ein Jahr gearbeitet habe. Es hat Schweiß, Blut und Tränen gekostet, so dass es zu schade wäre, es einfach in der Schublade verschwinden zu lassen. Viel zu viele Menschen haben mir geholfen, mir Rede und Antwort gestanden, mir Türen geöffnet. Es ist ein Buch entstanden, was dem negativen Image der Plattenbausiedlung entgegen wirken könnte. Es ist ein Buch über das Paradies entstanden. »Grün-As«Das Buch gibt es in zwei verschiedenen Ausgaben? Antje StumpeRichtig. Zum einen als Normalausgabe für jeden Geldbeutel erschwinglich. Und zum anderen als exklusive Vorzugsausgabe in einer limitierten Auflage von 100 Stück. Diese Ausgabe ist mit viel Liebe und Aufwand handwerklich gebunden und geprägt, sowie mit einem Foto im Cover eingesetzt. Der Einband besteht aus einer rohen Pappe, welche eine Analogie zum Plattenbaubeton herstellt. Außerdem liegt dieser Ausgabe ein signierter Fineartprint bei. »Grün-As«Das klingt nach einem perfekten Geschenk! Im September lädst du zur Buchvorstellung und zu zwei Ausstellungen in Grünau ein? Antje StumpeGenau. Zum einen kann man die Bilder in einer Plattenbauwohnung betrachten: Im Nachbarschaftsverein »Miteinander Wohnen und Leben e.V.«. Während der ganzen Ausstellung vom 6. bis 11. September bin ich täglich von 10 bis 14 Uhr vor Ort, um mit den Besuchern ins Gespräch zu kommen. Am 16. September lädt dann das KOMM-Haus anlässlich zu seinem 20-jährigen Jubiläum zur Ausstellungseröffnung um 18.30 Uhr ein. In der anschließenden Diskussionsrunde bringt Herr Puckelwald seine Sicht als Erbauer Grünaus ein und ich vertrete die junge Generation aus dem künstlerischen Blickwinkel. Wir werden der Frage nachgehen, ob es je ein Paradies gegeben hat, ob dieses noch existiert oder ob es verloren ging. Wir laden alle Grünauer herzlich ein, sich an dieser interaktiven Runde zu beteiligen. Die Bücher gibt es natürlich auch. »Grün-As«Wir danken dir für dieses Gespräch und wünschen gut besuchte Ausstellungen und viel Erfolg für den Buchverkauf!