Kein Willkommen für Flüchtlinge (2)
Wirbel um Wohn- und Betreuungskonzept für Asylsuchende
Dabei hätte die Zahl nach Aussage von BI-Sprecher Kai Malzahn auch noch deutlich höher ausfallen können. Vielen Bürgern sei die Forderung nach
Dezentralisierung und Verteilung über das gesamte Stadtgebiet nicht weit genug gegangen. »Hätten wir geschrieben: Wir sind generell gegen eine
weitere Unterbringung von Asylsuchenden in Grünau, hätten deutlich mehr Menschen unterschrieben«
, ist sich Malzahn sicher.
Entscheidung vertagt
Dies zeugt von einer Grundstimmung, die nicht zuletzt durch diverse Medienberichte und Statements seitens der hiesigen Wohnungsunternehmen extrem aufgeheizt wurde und die sich auch zur Sitzung des Stadtbezirksbeirates Bahn brach. Nachdem kurzerhand entschieden wurde, auch die noch vor der Tür wartenden 200 Bürger in den proppevollen Saal der Völkerfreundschaft einzulassen, wurde es nicht nur aufgrund der Temperaturen ziemlich heiß. Während die Beiräte selbst überwiegend sachlich ihre Kritik und Bedenken zum Konzept an den anwesenden Sozialbürgermeister Professor Thomas Fabian und Sozialamtsleiterin Martina Kador-Probst richteten - wobei anzumerken ist, dass durchweg alle Vertreter des Gremiums, wenngleich aus unterschiedlicher Motivation heraus, nicht glücklich über den Standort Weißdornstraße sind - rumorte es in den Reihen der Zuhörer.
Mehrfach musste Moderatorin Antje Kowski daran erinnern, dass es sich bei einer Sitzung des Beirates nicht um eine normale Bürgerversammlung handelt und dass es gewisse Regeln einzuhalten gilt. Als dem Publikum nach gut einer Stunde Rederecht eingeräumt wurde, stand bereits fest, dass in dieser aufgebrachten Situation und mit der leider viel zu dünnen Informationslage an jenem Abend nicht entschieden werden und daher eine zweite Lesung nötig würde. Ein Aufschub, der nicht zuletzt auch dadurch unproblematisch ist, da schon im Vorfeld klar war, dass auch die Entscheidung des Stadtrates um einen Monat auf den 18. Juli vertagt wurde.
Wie weiter?
Zuvor wollen sich die Stadtbezirksbeiräte aller Parteien ein Bild vom Flüchtlingsheim in der Liliensteinstraße machen, ist doch auch dieses Haus nach den neuen Maßgaben der Stadt deutlich überbelegt. Dennoch gilt die Unterkunft, die bereits zu DDR-Zeiten zur Unterbringung von so genannten Vertragsarbeitern diente, als etabliert und soll weiterhin bestehen bleiben. Regelmäßige Besucher des Hauses bestätigen die weitestgehend unproblematische Situation im WK 8.3 (siehe Interview) und auch die Polizei kann bis auf ein paar Anzeigen wegen Ruhestörung nichts Gegenteiliges berichten.
Kein verwahrlostes Grundstück, keine Bannmeile für Frauen, die sich nachts nicht mehr sicher fühlen, keine vermehrten Diebstähle oder Raubüberfälle. Die
Bürgerinitiative hält dagegen: »Das ist ein komplett anderes Bewohnerklientel. In die Weißdornstraße kämen vorwiegend alleinstehende Männer - das
ist etwas ganz anderes«
, so Ralph Julius, ein zweiter Sprecher der Initiative.
Diesen Aspekt wirft auch die lokale Agenda-Gruppe ins Feld und verweist in ihrer Stellungnahme darauf, dass die baulichen Gegebenheiten in der
Weißdornstraße ebenfalls gänzlich andere seien. »Bei diesem Gebäude handelt es sich um ein Heim ohne abgeschlossene Wohnraumräume - zum Teil ohne
eigenen Küchentrakt und Sanitärbereich«
, heißt es in dem Papier. Man befürchte daher ein erhöhtes Konfliktpotenzial. Und nicht nur das: Man
fürchtet außerdem die Instrumentalisierung der Anwohner durch rechte Gruppierungen, wenn die Ängste und Sorgen der Grünauer seitens der Politik und
Verwaltung nicht ernst genommen würden.
Inwieweit diese Ängste berechtigt sind, wird sich spätestens am 18. Juli zeigen. Dann nämlich wird definitiv über das heiß diskutierte Konzept im Stadtrat abgestimmt - immerhin drängt die Zeit: Erforderliche Umbau- und Sanierungsmaßnahmen an allen Standorten müssen vorgenommen und schließlich die zugewiesenen Asylbewerber untergebracht werden. Da SPD, Linke und Grüne über Stimmmehrheit im Leipziger Parlament verfügen, darf man annehmen, dass sich deren Antrag durchsetzt und die Vorlage mit den entsprechend vorzunehmenden Änderungen beschlossen wird - will heißen: Grünau bekommt 50 neue Nachbarn.
Klaudia Naceur