Der lange Weg zum Meer
Großprojekt Lindenauer Hafen startete mit Baggerbiss
Großen Bahnhof, oder besser gesagt großen Hafen konnte man am 12. September vor den Toren Grünaus erleben. Mit dem Auflauf regionaler Politprominenz hätte der Tag sogar das Zeug zu einem Eintrag in die Analen der Messestadt und das zu Recht. Wurde doch mit dem symbolischen Baggerbiss am Lindenauer Hafen ein Projekt in Angriff genommen, dessen Idee bereits seit etwa 900 Jahren immer mal wieder in den Köpfen einstiger Landesherren herumspukte: Leipzig wird ins lokale Wasserstraßennetz eingebunden und hätte demnach auch Anschluss zu den Weltmeeren.
Bis es soweit ist, wird jedoch noch viel Wasser im Hafenbecken versacken. Denn von den insgesamt drei »Lücken«
in der angestrebten
Verbindung zur Saale, wird zunächst lediglich eine geschlossen. 665 Meter zwischen Hafen und Karl-Heine-Kanal werden in den kommenden Jahren auf einer
Breite von zehn bis zwölf Metern ausgehoben und damit schiffbar gemacht. Klingt einfach, bedurfte jedoch einer langwierigen Vorbereitungsphase und kostet
letztendlich nebst der Erschließung des angrenzenden Areals sowie einer 21 Meter langen Kanalbrücke insgesamt neun Millionen Euro.
Geld, das zur Realisierung bislang fehlte, nun aber durch das relativ neue Finanzierungsmodell der Stadtentwicklung mit dem schönen Namen
»Jessica«
fließen wird. Den sehnlich herbei gewünschten Meeresanschluss hat Leipzig aber nicht nur Jessica zu verdanken. Vielmehr
standen immer wieder größere und kleinere Visionäre hinter dem Projekt - angefangen natürlich bei Karl Heine, der den Bau der ersten zweieinhalb Kilometer
Kanal aus eigener Tasche finanzierte und damit den Grundstock für alle weiteren Entwicklungen legte. In jüngerer Vergangenheit waren eher städtische Ämter
- allen voran das Grünflächenamt mit Inge Kunath an der Spitze und ansässige Vereine die treuesten Träumer, die über Jahre hinweg die Idee vorantrieben und
nach Möglichkeiten der Umsetzung suchten.
Wassersportaktivisten ließen sich dann auch die Gelegenheit nicht nehmen und luden OBM Burkhard Jung, seine hallische Amtskollegin Dagmar Szabados, sowie den sächsischen Innenminister Markus Ulbig zu einem ersten Anpaddeln im Hafenbecken ein und gaben damit einen kleinen Vorgeschmack darauf, wie es an dieser Stelle einmal zugehen mag. Die kleine Visualisierungshilfe tut Not, denn noch bedarf es einer gehörigen Portion Phantasie, um sich das zukünftige Areal auszumalen.
Dabei ist der Gewässerverbund lediglich ein Bestandteil, der zwar untrennbar mit den weiterführenden Plänen zusammenhängt und von außerordentlicher touristischer Bedeutung ist, sich aber gemessen am Gesamtkonzept des Hafens eher klein ausnimmt. Während sich die Bürger nämlich in erster Linie über ein paar Meter mehr ungetrübten Wassersportspaß freuen, stehen diverse Investoren bereits in den Startlöchern, um auf dem zukünftig erschlossenen fünf Hektar großen neuen Baufeld ein modernes Stadtquartier zu errichten. Mehrstöckige Wohnbebauung, Hotels, Gewerbe und Dienstleistungen sollen hier angesiedelt werden. Im nördlichen Bereich des Hafens - dort wo die alten denkmalgeschützten Speicher weithin sichtbar thronen - soll zukünftig die Marina Leipzig-Lindenau entstehen.
Was sich futuristisch anhört, bedeutet lediglich Yachthafen mit Liegeplätzen für Segel- und Motorboote. Im Zusammenspiel mit Servicedienstleistungen und Ausrüstungsgeschäften rund ums Boot sowie Gastronomie, Hotel, Strandbar und Beachvolleyball könnte die Marina zum gefragten Terrain werden. Vor allem dann, wenn die geradezu lächerlich anmutenden 75 Meter unter der Lyoner Straße hindurch zum Elster-Saale-Kanal geöffnet und damit weitere elf Kilometer Wasserstraße erschlossen sind. Der lange Weg zum Meer - für Leipzig ist er ein Stückchen kürzer geworden.
Klaudia Naceur