Mords-Abend in der Bibliothek Grünau-Mitte
»Sie würden alle dafür büßen.
Einer nach dem anderen, schön der Reihe nach...«
Einer nach dem anderen, schön der Reihe nach...«
Immerhin. Gut sechzig Zuhörer sind gekommen. Kristina Püschel, die Bibliothekarin, freut es. Lesetisch und Stuhl sind vorbereitet.
Der wird resolut noch mal in etwas Praktisches umgetauscht. Nichts hier, das die Autorin irgendwie nervös machen würde. Claudia Puhlfürst ruht auch nach knapper Anreise in sich. Greift mit einem gewinnenden Lächeln nach den Hörern im Raum. Versichert, sie werde nicht alles vorlesen, was sie da im Gepäck habe...
Und ist schon mittendrin in ihrer ersten Geschichte: Im Plattenbau am Rande der Großstadt wird eine verweste Leiche gefunden. Das heißt nichts Gutes ... Die junge Journalistin Lara Birkenfeld von der Tageszeitung wird in dem Fall ermitteln.
Wer hier einen beschaulichen literarischen Abend erwartet hat, hat schon mal Gänsehaut. Die gelernte Biologin aus Zwickau fackelt nicht lange. Sie ist mit Leib und Seele kriminell. Eine Schreibtischtäterin. Sammelt, beobachtet, recherchiert. Hat Akteneinsicht. Versucht, das Tun und das Warum der Handelnden zu verstehen. Abends am PC. Wenn das Tagesgeschäft ruht. Dann werden aus nüchternen Polizeiberichten lebendige Geschichten.
Spätestens seit »Ungeheuer«
schreibt sie in der ersten Liga der hiesigen Krimi-Autoren. Hat sich mit authentischen »MordsSachsen«
einen Namen gemacht. Erfindet
»Rachegöttin«
und »Sensenmann«
. Ist eine der Mörderischen Schwestern. Organisiert die Ostdeutschen Krimitage. Immer mit Lesung in den Trauerhallen des Leipziger
Südfriedhofs. Wer mag, kann sich am Donnerstag der nächsten Frühjahrsbuchmesse bei leichtem Widerhall in dem unterkühlten Gemäuer wohlig gruseln...
Da hustet's im Publikum. Heftig erst, dann erschrocken, ob der verursachten Störung. Spontan teilt die Autorin ihr obligatorisches Wässerchen. Claudia Puhlfürst von nebenan. Authentisch mit unverstelltem leicht sächsischem Akzent. Präsent. Geerdet. Wenn sie den Moment der Nähe nutzt und von ihrem Werden als Autorin berichtet. Von kriminellem Interesse, ersten scheuen Schreibversuchen, zähneknirschender Suche nach einem Verlag. Heute ist sie bei blanvalet unter Vertrag, kann von der Schreiberei leben. Von Buch zu Buch. Freiberuflich eben. Nichts ist sicher in diesem Beruf. Und scheut sich nicht, offen darzulegen, dass sich Krimi eben gegenwärtig gut verkauft. Autoren, Verlage, Buchhändler diesen Trend durchaus benutzen. Aber auch, wird ihr erwidert, Täter immer exzessiver werden. Ermittler angeschlagen. Methoden perfider. Manch Unbehagen im Publikum...
Vielleicht habe der Ruf nach ledergebundener Literatur einen ... Beigeschmack, gibt sie zu bedenken. Den voyeuristischen Drang nach Sensation und Schauder habe es immer schon gegeben. Sie habe für sich eine realistische Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit gezogen. Und das traue sie auch ihren mündigen Lesern zu. Ihr Anspruch sind handwerklich gute Texte. Das sei schon schwer genug, lässt sie sich noch entlocken. Manchmal sei sie beim Schreiben selbst überrascht, was ihre Figuren so treiben: Da habe zum Beispiel ein Fotograf eine auffällige Vorliebe für Streuselschnecken. Eine Schnorre, die sie sich irgendwie unbewusst bei ihrem Lieblingsonkel abgeschaut hat...
Silke Heinig