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Leipzig Grün-As Stadtteilmagazin

Wer trifft sich noch im Freizeittreff?

Völle-Mieter sind verärgert - Jugendamt sieht keinen Handlungsbedarf

In der Völle rumort es. Einige der langjährigen Mieter, wie die Grünauer Siedler, der Modelleisenbahnclub oder die Musiker der Harmonie haben dem Freizeittreff frustriert den Rücken gekehrt, sind verärgert über die chaotischen Nutzungsregularien, komplizierten Verfahrensweisen und die teils schwierige Kommunikation mit den Verantwortlichen vor Ort. Andere, wie der TSV Leipzig (ausführliches Interview auf der nächsten Seite) oder der Grünauer Garnevals Glub (GGG) sind auf die Räumlichkeiten angewiesen - immerhin ist die Völkerfreundschaft noch immer die größte Einrichtung ihrer Art im Stadtteil. Und vielleicht gerade darum nicht einfach zu managen.

1983 - also vor gut 30 Jahren wurde die Völle als Kulturhaus im noch jungen Grünau eröffnet und stand allen Interessenten offen. Regelmäßige Tanzabende für Jung und Alt, Rockkonzerte, Kabarett, Theater, Kino und ähnliche Veranstaltungen lockten jede Menge Grünauer in die Räume der Völkerfreundschaft. Selbst nach der Wende war die Völle eine feste - im wahrsten Wortsinn - Größe im Stadtteil. Dort, wo es an anderen Freizeitmöglichkeiten mangelte, traf man sich noch immer gern im beliebten Klubhaus.

1993 übernahm das Jugendamt die Trägerschaft des Hauses und bekam prominente Schützenhilfe aus dem tiefsten Westen: Herbert Grönemeyer initiierte das Jugendprojekt 08/16. Die Zeiten waren schwierig. Von sieben Jugendclubs in Grünau waren vier geschlossen, der Stadtteil machte mit ausländerfeindlichen Gruppierungen von sich Reden - die sozialpädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen steckte hierzulande noch in den Kinderschuhen.

Die Völle war mit ihrer Konzeption und ihren Angeboten bald eine gute Anlaufstelle - auch für Jugendliche aus anderen Stadtteilen. Hier konnten Bands proben, hier fanden noch immer regelmäßige Diskos statt, wurden Projekte und Aktionen gestartet, die man andernorts nicht geboten bekam. Später gesellten sich Live-Konzerte mit der Veranstaltungsreihe »Nachtschwärmer« und angesagte LAN-Partys hinzu. Man war auf der Höhe der Zeit.

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OFT Völkerfreundschaft

Neben der pädagogischen Arbeit und dem Bemühen um jugendliche Klientel, stand das Haus nach wie vor allen Stadtteilbewohnern offen und wurde von diesen auch gern genutzt. Beispielsweise von den Grünauer Siedlern. Sie tagten nicht nur regelmäßig in der Völle, sondern feierten auch ausgelassen. Zumindest bis vor ein paar Jahren. Längst waren die Angebote für Jugendliche drastisch zurückgefahren. Restriktives Rauch- und Alkoholverbot im Haus torpedierten manche Veranstaltungen und die Nutzungsbedingungen für die Mieter begannen sich zu wandeln.

Für manche wurde dies zum echten Problem. So sollten die Siedler plötzlich ihr Geschirr selbst mitbringen - nicht so einfach bei über 100 Leuten. Hilfestellungen wie die Bestuhlung oder das Schmücken des Saales entfielen - Kleinigkeiten nur, aber wichtig für den Wohlfühleffekt. Davon kann auch Verena Hesse ein Lied singen: »Natürlich waren wir durch den früheren Hausmeister ein wenig verwöhnt. Da genügte ein Wort und alles war gut«, gibt die Chefin des GGG zu.

Seit 1997 probte der Karnevalsclub in der Völkerfreundschaft und hatte in der Saison etliche Veranstaltungen dort. Seit einiger Zeit fühlen sich die Grünauer Jecken jedoch gar nicht mehr wohl. »Dass wir alleine schmücken und bestuhlen, ist ja an- und für sich in Ordnung, aber dass wir für diese Zeit auch noch die volle Miete zahlen müssen, finde ich schon befremdlich«, so Hesse. Überhaupt habe man bei dem Mietpreis eine Steigerung von 300 Prozent zu verkraften.

Das Proben könne sich der Verein schon gar nicht mehr leisten - allein die Veranstaltungen im Februar koste ihn in diesem Jahr satte 2000 Euro. Geld, das man durch den Kartenverkauf nicht rein bekäme. Aber selbst das wäre laut Verena Hesse zu verkraften, wenn da nicht die teilweise rüden Umgangsformen seitens der Haus-Leitung wären: »In diesem Jahr durften wir unsere Karten nicht wie sonst immer im Jugendcafé verkaufen, weil wir damit angeblich die Jugendlichen stören würden. Stattdessen mussten sich unsere Mädels ins eiskalte Foyer setzen. Das war unmöglich«, ärgert sich die GGG-Vorsitzende.

Hinzu kämen Mängel im Haus, die die kulinarische Versorgung einschränkten. So dürfte der beauftragte Caterer wegen einer seit Langem kaputten Ablufthaube nicht frittieren. Obwohl der Frust beim GGG derzeit tief sitzt, möchte der Verein in der Völle bleiben: »Zum Einen wollen wir als Grünauer Club natürlich im Stadtteil bleiben und da sind wir auf die Größe des Saales angewiesen. Außerdem hoffen wir natürlich, dass sich die Situation für alle Beteiligten wieder bessert.«

Das hofft auch Thorsten Heine vom Modelleisenbahnclub. Zwölf Jahre lang zeigten die Hobbybahner ihre Platten erst ein- später zweimal im Jahr einer interessierten Öffentlichkeit. In diesem Winter kamen sie im PEP unter, nachdem das Jugendamt trotz Nachfragen einfach den Mietvertrag nicht zurücksandte. Die Veranstaltung im Oktober 2013 musste sogar ausfallen. Heine kann darüber nur den Kopf schütteln: »Unsere Ausstellungen werden durch den Ferienpass beworben - also mit dem Jugendamt gemeinsam durchgeführt. Und dann werden uns vom gleichen Amt Knüppel zwischen die Beine geworfen.«

Zwar haben sich die Modellbauer über das kurzfristige und unkomplizierte Angebot seitens des PEP-Managements gefreut und es dankend angenommen, aber aufgrund der kleineren Räumlichkeiten können sie gerade einmal ein Drittel ihrer sonstigen Ausstellungsstücke präsentieren. Schon allein deswegen will Thorsten Heine die Zusammenarbeit mit der Völle nicht aufgeben, den Antrag für die nächste Veranstaltung in Kürze ans Amt schicken und hofft, dass der Vertrag dieses Mal zurückkommt.

Trotz des Ärgers sind sich alle Kritiker darüber einig, dass die Völle mit ihrer pädagogischen Arbeit vor allem für Klientel mit Migrationshintergrund eine wichtige Aufgabe erfüllt und nicht zuletzt damit als Angebot unbedingt erhalten bleiben muss. Laut Jugendamt nutzten täglich 40 bis 80 Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 27 Jahren den Freizeittreff. Als sich nach den bekannt gewordenen Schließungsabsichten des KIJU Stadträte der SPD (Heiko Bär) und der CDU (Dietmar Kern) dafür aussprachen, doch lieber die Völle dicht zu machen, wurde dies darum auch von allen Seiten zu Recht abgelehnt.

Doch die Notwenigkeit zu Veränderung ist offensichtlich. Obwohl das Jugendamt von einem etwa gleich hohen Niveau der Einmietungen im Verhältnis zu den Vorjahren spricht, sieht es derzeit keinen Grund, sein Nutzungskonzept zu überarbeiten. Das sehen jedoch nicht nur enttäuschte Ex- und Noch-Mieter vollkommen anders. Bewohner monieren den katastrophalen Zustand des Haupteingangs der Völle und in der Tat könnte man bei dessen Anblick den Eindruck eines leer stehenden Gebäudes bekommen.

Und das obwohl sich das Haus zu Grünaus Flaniermeile Nummer 1 - der Stuttgarter Allee - hin öffnen sollte. Auch seitens des Amtes für Stadterneuerung (ASW) kommt Kritik. Seit Jahren sei man am Problem Völle dran und dränge zur Veränderung, heißt es. Bislang stoße man aber auf taube Ohren. Dabei wurde in der Vergangenheit mehrfach und in Millionenhöhe ins Haus investiert. Auch inhaltliche Ideen wurden etliche entwickelt, die aber allesamt scheiterten.

So wurde die Einrichtung 2008 als neue Spielstätte für das Theatrium favorisiert, bevor das Jugendtheater ein ganz neues Gebäude bekam. Eine Koexistenz zwischen KOMM-Haus und Völkerfreundschaft wurde ebenso geprüft und wieder verworfen. Nun gibt es ernsthaftes Interesse seitens des TSV Leipzig 1976. Der mitgliederstarke Sportverein, der sowohl mit seiner Geschäftsstelle als auch Trainingsräumen in der Völle beheimatet ist und damit zirka ein Drittel der Einrichtung belegt, könnte sich nach den Querelen der letzten Zeit die Übernahme des Hauses unter bestimmten Voraussetzungen durchaus vorstellen.

Ein Engagement, das dem Amt durchaus entgegenkommen und der Einrichtung wieder zu mehr Schwung verhelfen könnte. Auf Anfrage äußert sich das Amt indes eher verhalten: Ein solcher Punkt sei zwar im Gespräch angeklungen, aber weder durch feste Absichten hinterlegt noch in irgendeiner Weise amtsseitig weiter verfolgt worden.

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