Editorial
Mitte Februar wurde seitens der Stadtverwaltung verkündet, dass man Grünaus Entwicklung weiter voran treiben möchte - und zwar mit der Erarbeitung eines Integrierten Stadtteilentwicklungskonzeptes (wir berichteten bereits). Dabei wird es nicht wie in den vorangegangenen Plänen und Konzepten allein um die Wohnungsmarktsituation im Stadtteil gehen, sondern man beschäftigt sich mit den so genannten weichen Standortfaktoren, die das Leben in Grünau attraktiv erscheinen lassen und / oder einer speziellen Förderung bedürfen.
So weit so gut. Will man junge Menschen und Familien nach Grünau holen, um damit nicht zuletzt die Zukunft des Stadtteiles zu sichern, müssen natürlich auch die Rahmenbedingungen für Jugendliche und Kinder stimmen. Kultur- und Freizeitangebote dürften somit auf dem Prüfstand kommen. Die der Völkerfreundschaft könnten dabei durchaus schlecht abschneiden. Die verhältnismäßig riesige Einrichtung genoss jahrzehntelang einen guten Ruf nicht nur unter den Grünauern.
Selbst ich - am anderen Ende der Stadt aufgewachsen und mit Grünau nicht unbedingt Liebkind - kannte die Völle und war lange bevor ich hier zu arbeiten begann, ein ums andere Mal zu Gast. Begeistert von der 2005 vorgenommenen Fassadenrenovierung des Gebäudes auf der Stuttgarter Allee, empfinde ich den heutigen Anblick als trist und erschreckend. Der Haupteingang stets verschlossen und darüber hinaus wenig einladend, endlose Zettellage kündet von Querelen innerhalb des Hauses, die darüber hinaus auch sonst kaum noch zu überhören sind.
In letzter Zeit häuft sich die Kritik am Management der Völle. Mag sein, dass Streitigkeiten um mitzubringendes Geschirr, die Aufforderung selbst zu bestuhlen, aufzuräumen und bis zu einer gewissen Zeit den Saal zu verlassen oder der Ärger um Zugangsbereiche zunächst kleinlich anmuten. Aber wenn sich gleich mehrere langjährige, einst zufriedene Mieter abwenden, über unzumutbare Zustände und unangebrachte Umgangsformen klagen, dann kann man dies nicht einfach als Ningelei abtun, sondern muss bemüht sein, den Dingen auf den Grund zu gehen.
Sicherlich dürfen personelle Engpässe nicht dazu führen, dass die Mitarbeiter des Hauses irgendwann auf dem Zahnfleisch gehen und darüber hinaus ihre eigentliche Aufgabe - die pädagogische Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen - vernachlässigen. Aber dafür, dass eine Reduzierung der Arbeitskräfte nicht zwangsläufig zu Lasten qualitativ guter inhaltlicher Arbeit führen muss, gibt es im Stadtteil genügend Beispiele. Von mangelnden Umgangsformen, wie den Mitarbeitern seitens der Kritiker vorgeworfen wird, ganz zu schweigen.
Ein simpler Vergleich mit der Situation von vor 20 Jahren hinkt natürlich: Finanzielle Mittel und Personal stehen nicht mehr in dem Maß zur Verfügung und auch das Klientel der Jugendlichen hat sich merklich geändert. Gerade darum scheint es mir umso wichtiger, dass die Völle allen Stadtteilbewohnern zur Verfügung steht und sich für alternative Nutzungskonzepte öffnet.
Das Statement des Jugendamtes, derzeit keinen Handlungsbedarf zu sehen, mutet vor dem Hintergrund der öffentlichen Kritik - die bei weitem nicht nur von Mietern, sondern zunehmend auch aus den Reihen städtischer Ämter kommt - äußerst engstirnig an. Bleibt zu hoffen, dass im Zuge der Erarbeitung des Stadtteilentwicklungsplanes ein Umdenken stattfindet und die Völle wieder zu dem wird, was sie dem Namen nach ist: ein Freizeittreff.
Ihre Klaudia Naceur