Lust und Frust Grünauer Kulturakteure
Ruth Schlorke, Geschäftsführerin Kreativzentrum Grünau
Mit dem Blick auf die Entwicklung von Kultur und Sport im Stadtteil Leipzig-Grünau sehe ich die aktuell unbefriedigende Situation nicht nur allein bei dem Konsumenten.
Wie die Bertelsmann-Stiftung in ihrer Studie zum gesellschaftlichen Zusammenhalt feststellt:»...Grundsätzlich schlecht ist es um das Miteinander in Deutschland nicht bestellt. In seiner
Gesamtheit hat sich der gesellschaftliche Zusammenhalt in den letzten 25 Jahren sogar eher verbessert als verschlechtert. Allerdings legen die detaillierten Forschungsergebnisse für Deutschland offen, dass das
nicht für alle Regionen gleichermaßen gilt. In allen neuen Bundesländern ist der Zusammenhalt geringer als in den alten - die Kluft zwischen Ost und West hat sich seit der Wiedervereinigung sogar noch
vergrößert. Diese Erkenntnis ist Grund zur Sorge. Aber sie ist auch notwendig, um sich den Ursachen zuzuwenden und an Lösungen zu arbeiten. In unserer Studie konnten wir ausmachen, welche Faktoren dem
solidarischen Miteinander im Wege stehen. Neben einem insgesamt hohen Durchschnittsalter der Bevölkerung und einem geringen Urbanisierungsgrad zählt dazu das höhere Armutsrisiko im Osten...«
Quelle: Liz Mohn, Vorwort der aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung
Die beschriebenen Faktoren haben auch in unserem Stadtteil einen hohen Wirkungsgrad und sind für das solidarische Miteinander nicht förderlich. Gepaart mit fehlenden Innovationen, Angst Risiken einzugehen und kreative Herausforderungen unbefangen anzunehmen, wird Stillstand, Desinteresse und Gleichmut erzeugt, den wir als engagierte Macher unmittelbar zu spüren bekommen.
Es gibt aus meiner Sicht vor allem auf Grund finanzieller Zwanglagen kein kulturelles Netzwerk in Grünau, welches vorhandene Potenzen bündelt. Was treibt mich immer wieder an? Ich brenne für meine Ideen, bin mit Begeisterung dabei und lebe kompetente Partnerschaften mit dem Ziel, zu bewegen und zu verändern. Denn, Grünau kann durchaus etwas Kunstdünger gebrauchen!
Uwe Walther, Kulturpädagoge und Mitarbeiter des KOMM-Hauses
Nach fast zwei Jahrzehnten an der Grünauer Kulturfront, frage ich mich manchmal selbst, was mich mich immer wieder antreibt. Die Antwort ist eigentlich schnell gefunden: Natürlich die Liebe zu Grünau, der Job aber auch einige Grünauer beziehungsweise Besucher, die immer wieder ein positives Feeback geben, nachdem sie unsere Veranstaltungen besucht haben.
Es gibt allerdings auch Momente, in denen man sich wirklich fragt, ob es Sinn macht, manchem »Schlafstadtbewohner«
weiterhin Kultur mundgerecht anzubieten. Da liest eben der Meyer
(Clemens; deutscher Buchpreisträger 2006) vor dreißig Zuhörern. Im Süden von Leipzig sitzt er im ausverkauften Hause vor zehnmal so vielen Besuchern.
Oder es spielt eine bekannte DDR-Band und aus Grünau sind ganze sechs Leute da ... und das zu Tiefstpreisen. Mein demotivierendstes Erlebnis war aber ein richtig aufwendiges Sommertheater im wunderschönen Robert-Koch-Park, bei dem von 50 Besuchern gerade einmal DREI (!!!) aus Grünau kamen. Kultur findet in Grünau statt - es könnte noch mehr sein, aber dafür müssten zunächst die bestehenden Angebote von den Grünauern wahrgenommen und besucht werden.
Aber steter Tropfen höhlt den »Grünauer Stein«
und selbst wenn auch erst in fünfzig oder hundert Jahren ein kleines Loch in dieser Kulturplatte ist, so kann ich dann wenigstens sagen: Ich
habe mit gebohrt...
Elke Bestehorn, Kirchenmusikerin der Ev.-Luth. Pauluskirchgemeinde
Der Grünauer Kultursommer bietet jedes Jahr aufs Neue pulsierendes Leben im Stadtteil Grünau an. Traditionen sind gewachsen, Neues wird versucht, verschiedenste Akteure werden motiviert, nehmen einander wahr und vernetzen sich sogar zunehmend. Unterschiedlichste Veranstaltungsorte öffnen ihre Türen.
Im restlichen Teil des Jahres engagiert sich jeder Veranstalter in seinem eigenen Bereich, in den drei Kultursommer-Monaten nehmen wir im Stadtteil das Ganze in den Blick und erleben und bestaunen die Vielfalt. Da sind auch die Grünauer Kirchgemeinden gern dabei. Die 556 Jahre alte Dorfkirche Schönau ist ein Kleinod und die Konzerte dort sind immer ein Erlebnis. Und Jahr für Jahr freuen sich das Ökumenische Theaterteam und ich als Kirchenmusikerin darauf, ein neues Musiktheaterprojekt in der Pauluskirche auf die Bühne zu stellen - für uns immer eine spannende Herausforderung und Freude zugleich.
Der Kultursommer ist Herzstück des kulturellen Lebens im Stadtteil - das soll auch in Zukunft so bleiben! Herzerfrischend für mich ist das große Engagement des Kulturamtes der Stadt Leipzig in unserem Stadtteil. Ohne die Arbeit von Rita Werner, die mit viel Herzblut alle Fäden in der Hand hält, koordiniert, ermöglicht und ermutigt, wäre das alles so nicht auf die Beine zu stellen. Gut, dass die Stadt Leipzig Kultur in Grünau finanziell fördert und ermöglicht. Und ebenso gut und wichtig ist die Arbeit der Kultursommer-Arbeitsgruppe vor Ort mit Vertretern aus sehr unterschiedlichen Einrichtungen. Da sitzen Leute an einem Tisch, die etwas wollen für Grünau. Herzerfrischend der quicklebendige und jährlich gutbesuchte Höhepunkt des Kultursommers: Das Schönauer Parkfest.
Ändern muss sich die Außensicht der Leipziger Bürger auf unseren scheinbar grauen und formlosen Plattenbau-Stadtteil. Ich wünsche mir, dass der Kultursommer noch mehr wahrgenommen und besucht wird von den Menschen des Leipziger Westens und aus ganz Leipzig. Und ich wünsche mir neue Impulse aus dem Stadtteil heraus, immer wieder neues Engagement von Bürgern und Einrichtungen. Die gute und stetige Kommunikation aller Einrichtungen und Akteure untereinander bleibt Herausforderung.
Ruth Schlorke, Uwe Walther, Elke Bestehorn