Es nagt die Zeit am Park der Robert-Koch-Klinik
Der Gondelteich versickert. Gras überwächst die Freiluftskulpturen. Bänke, Zaun und Putz bröckeln.
20 Millionen Euro lässt sich das Sächsische Staatsministerium für Soziales, Gesundheit und Familie 2001 Neubau und Sanierung der Koch-Klinik kosten.
Das Leipziger Architekturbüro HPP Laage & Partner glänzt mit hochgelobter Ausschreibungsvorlage. Bruttogeschossfläche zirka 4000 Quadratmeter, Bauvolumen zirka 1149 Kubikmeter. 144 Betten, davon acht für Intensivpflege, 15 für eine Tagesklinik. Auf allen Stationen Ein- und Zweibettzimmer mit eigener Sanitärzelle. Ergänzt durch moderne Notfallaufnahme und Röntgendiagnostik.
Die hauseigene Website ist des Lobes voll: »Die Lage der Robert-Koch-Klinik inmitten eines Parkes mit schönem alten Baumbestand ist einzigartig und neben der medizinischen Reputation das
wesentliche Qualitätsmerkmal des Klinikums.«
Ebendieser Park ist es, der unsere Recherchen vorantreibt. 1947 wurde das Sack'sche Anwesen enteignet. Neuer Eigentümer wurde die Stadt Leipzig. 1948 wurde im Parkschloss ein Tuberkuloseheim mit 40 Betten
eröffnet, 1955 zum Bezirkskrankenhaus für Lungenkrankheiten erweitert und ab 1960 als »Robert-Koch-Klinik«
weitergeführt.
1982 wurde beschlossen, den Park der Robert-Koch-Klinik für die Allgemeinheit zu öffnen, nachdem direkt angrenzend Wohnkomplexe des Neubaugebiets Leipzig Grünau entstanden waren. Am 5. Oktober 1984 wurde die Anlage als Robert-Koch-Park der Öffentlichkeit übergeben.
Letztes Jahr, im Sommer 2013, feierte das Anwesen 100. Geburtstag. Kaum beachtet. Sicher, gerade aus dem morbidem Charme des Verfalls erwächst die unwiderstehliche Schönheit. Fotografen suchen geradezu die novembrigen Nebeltage für stimmungsvolle Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Die grafischen Linien der geschwungenen Haupttreppen. Die filigrane Schönheit der schmiedeeisernen Geländer der bogenförmigen Holzbrücken. Die tränennassen hängenden Blattadern der Weiden an einem Regentag.
Gerade diese aufmerksam schauenden Besucher aber möchten das Sehen auch genießen. Sichtachsen mit den Augen entlangstreifen, die einst von kundigen Parkgestaltern konzipiert wurden. Liniengebende Wegbegrenzungen erkennen, die längst vom Efeu überwuchert sind. In Schauen und Rast innehalten auf einer Bank, die das auch zulässt. Für viele Grünauer und ihre Gäste ist der schöne Park um die Ecke beliebtes kurzes Ausflugsziel.
Kleiner Urlaub am Nachmittag. Bequem zu erreichen, fußläufig, selbst mit Rollator oder Kinderwagen. Muße und Treff der Generationen. Auch auf ein Gläschen Sekt, einen kleinen Kaffeeschwatz ... Ach, nein. Die Cafeteria ist nun auch geschlossen.
Und spätestens hier schließt sich der Kreis wieder zur Klinik. Denn auch der Unmut der Klinikbesucher wächst. Wer hat sich als Krankenbesuch nicht bereits über den unbegehbaren Fußweg in der Parkstraße geärgert. Wer mit dem Auto gekommen ist, um Trost zu spenden und Genesung zu wünschen, parkt knietief in Pfützen. Und von der Straßenbahnlinie 1 aus streift man am weißen Außenzaun entlang, der in der Nikolai- Rumjanzew-Straße felderweise aus der Füllung bricht und ganze Latten verloren hat.
Ein Kleinod in unserem Grünau braucht Hilfe. Das Fabrikantengrundstück Nikolai-Rumjanzew-Straße 100 ist Kulturdenkmal Nr. 09263613. Ebenso die Villa Sack: Nr. 09263720 und das ehemalige Versuchsgut Sack: Nr. 09263720. In der Denkmalliste vom Landesamt für Denkmalpflege Sachsen mit Stand vom 20. Juni 2013 erfasst. Geschützt. Zu schützen.
Silke Heinig