Wer bei ihr zur Beratung kommt, der hat ein Problem. Ein finanzielles. Hat meist lange mit sich gerungen und entweder schon seit Monaten nicht mehr ruhig schlafen können oder aber seine Geldnöte zu
erfolgreich verdrängt.
Seit Oktober letzten Jahres bietet Andrea Günther von der Verbraucherzentrale Sachsen immer mittwochs im KOMM-Haus eine professionelle Schuldnerberatung an. »Grün-As« unterhielt sich mit
ihr darüber, wieso immer mehr Menschen in die Schuldenfalle geraten und wie ihnen geholfen werden kann.
Grün-As Täuscht der allgemeine Eindruck oder nimmt die Zahl derer, die sich verschulden tatsächlich rasant zu?
Andrea Günther Rasant vielleicht nicht, aber die Zahl der Menschen, die Hilfe benötigen, steigt. Das ist richtig.
Grün-As Woran liegt das?
Andrea Günther Die Ursachen sind vielschichtig. Neben den klassischen Gründen Arbeitslosigkeit, Scheidung, Krankheit, Tod des Partners, sind es heute ganz klar die oft prekären Arbeitsverhältnisse,
in denen viele Schuldner stecken. Andere verschätzen sich bei Offerten wie: Kauf jetzt, zahl später. Für junge Leute ist beispielsweise nach wie vor das Handy Schuldenfalle Nummer 1. Da kommen schnell ein paar
tausend Euro zusammen, die ein junger Mensch nicht mal eben so einfach abtragen kann.
Andrea Günther
Grün-As Für was verschulden sich Menschen noch?
Andrea Günther In den seltensten Fällen für Luxusgüter. Größtenteils sind es die kleinen Bedürfnisse, es betrifft ja auch zumeist diejenigen, die langfristig wenig zur Verfügung haben. Etwa zwei
Drittel der Klientel sind Bezieher von ALG II. Da sind Alleinerziehende, die ihren Kindern ein normales Leben ermöglichen möchten oder Menschen, die die Vertragsfallen im Internet nicht überblicken. Da
verliert man schnell mal den Überblick. Der nächste Schritt sind Rechnungen, die nicht beglichen und Briefe, Mahnungen, die nicht geöffnet werden.
Grün-As Und als nächstes finden sie den Weg zu Ihnen!?
Andrea Günther Das wäre schön. Je eher ich involviert werde, desto besser könnte ich helfen. Leider ist es jedoch so, dass die Betroffenen sehr lange zögern, bevor sie sich Hilfe holen. Das ist ja
auch vollkommen verständlich. Es gibt diejenigen, die ihr Problem komplett verdrängen. Andere versuchen, die vielen Löcher irgendwie zu stopfen, was aber meist misslingt. Der Weg in die Schuldnerberatung ist
für viele die allerletzte Hoffnung, nachdem sie sich selbst nicht mehr zu helfen wissen und ich habe vor jedem, der diesen Schritt schafft höchsten Respekt.
Grün-As Mit welchen Erwartungen werden Sie dann konfrontiert?
Andrea Günther Auch das ist unterschiedlich. Es gibt Leute, die kommen herein und legen mir einfach einen Stapel Briefe und Ordner auf den Tisch. Nach dem Motto: »Nun mach mal!«
Andere sind zögerlich, wissen gar nicht, was hier auf sie zukommt und warten erst einmal ab.
Grün-As Was machen Sie dann mit dem Ordner vor der Nase? Erstmal durchblättern und sich einen Überblick verschaffen?
Andrea Günther Im Vordergrund steht bei uns zunächst das Gespräch. Wie sind die aktuellen Verhältnisse - der klassische Einnahmen-Ausgaben-Vergleich. Und erst wenn da alles in Ordnung ist, kann man
schauen, was sich an Verbindlichkeiten angestaut hat und was an Geld zur Verfügung steht, um die bestehenden Schulden abzubauen. Das lässt sich allerdings nicht mit einem Beratungsgespräch klären. Die meisten,
die sich einmal aufgerafft haben, kommen wieder und bleiben am Ball.
Grün-As Wie können Sie aber konkret helfen?
Andrea Günther Das klingt vielleicht unspektakulär, aber es ist einfach nur Hilfe zur Selbsthilfe. Wir verstehen uns als Unterstützung und nicht als Betreuungsangebot. Wenn ich mich allein
hinsetzen, die Briefe durchgehen, an Gläubiger schreiben oder Papiere ordnen würde und dergleichen, wäre das wenig nachhaltig. Was wir anstreben, ist ein Miteinander. Ich gebe Tipps und natürlich auch konkrete
Hilfestellung. Letztlich boxen sich die Leute aber selbst aus ihrer Situation heraus. Das gibt Mut und die Betroffenen wachsen an ihren Aufgaben.
Grün-As Das klingt schlüssig. Haben Sie denn abschließend noch einen Tipp, wie man Schulden von vornherein vermeiden kann?
Andrea Günther Da gibt es natürlich keinen allgemeingültigen. Wichtig erscheint mir, dass man den Umgang mit Geld so zeitig wie möglich lernt. Kinder sollten beispielsweise auf jeden Fall
Taschengeld bekommen. Für alle anderen lohnt ein Haushaltsplan. Das muss man nicht übertreiben, aber für den groben Überblick ist es hilfreich genauso wie ein gelegentlicher Check-up der eigenen
Lebenssituation. Heißt: Passen meine Ausgaben noch zu meinen Einnahmen. Und wenn nicht: Frühzeitig reagieren. Und wenn ich mir noch was wünschen darf, dann dies: Ein öffentliches Bekenntnis zum Sparen.
Grün-As ...Was in einer konsumorientierten Gesellschaft aber sicher noch eine Weile auf sich warten lässt. Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.