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Leipzig Grün-As Stadtteilmagazin

Stell dir vor, es ist Krieg...

KiJu-Kids begeben sich auf zweiwöchige Flucht

Seit Wochen scheint es in Deutschland nur noch ein Thema zu geben: Flüchtlinge. Menschen, die in unser Land kommen und das zu Tausenden. Der mediale Dauerbrenner und Stammtischaufreger lässt kaum einen unberührt, polarisiert und geht auch an Kindern und Jugendlichen nicht spurlos vorüber.

Das Bild eines überfüllten Flüchtlingsbootes im Fernsehen, ein aufgeschnappter Kommentar der Eltern. Das ist es, woraus sie sich letztendlich ihre Meinung bilden ? meist ohne die Hintergründe zu verstehen. Doch wie kann man ihnen diese altersgerecht und ohne den obligatorischen Zeigefinger näher bringen? Dieser schwierigen Aufgabe stellten sich drei junge Künstler während der Sommerferien im Kinder- und Jugendtreff (KiJu).

Nina Ruske, Cora Czernecki und Philipp Rödel sind nicht zum ersten Mal in der Grünauer Einrichtung. Bereits im Mai machten die HGB-Absolventen mit einem Kunst-Workshop im KiJu Station. Sie kennen viele der Kids, mit denen sie sich in den Wochen vom 3. bis zum 21. August auf eine fiktive Flucht, auf eine Reise in eine sehr sensible Thematik begeben wollen. Und sie nähern sich ihnen behutsam, holen sie in ihrer Wirklichkeit ab.

»Es ist ein heißer, leicht schwüler Sommertag. Du bist draußen unterwegs, hast eben noch mit deinen Freunden im Freibad Pommes gegessen, mit Ketchup und Mayo, diesmal wolltest du beides - und viel davon« ... so harmlos beginnt die Geschichte eines 13-jährigen Kindes, das plötzlich in die Wirren eines Krieges gerät, den es nicht versteht, das seine Eltern verliert, von der Tante mit dem letzten Geld der Familie ausgestattet allein auf eine lange, beschwerliche Reise von Syrien nach Leipzig geschickt wird.

Obwohl erfunden, ist die siebenteilige Story nicht gänzlich aus der Luft gegriffen. Akribisch haben Nina Ruske und Cora Czernecki dafür unzählige Fluchtgeschichten recherchiert und miteinander verwoben. Dabei ist es ihnen gelungen, immer wieder Verbindungen zur Lebenssituation der hiesigen Kids herzustellen. Um die für sie eigentlich ziemlich abstrakte Geschichte nachvollziehbarer zu machen und schließlich szenisch umzusetzen.

So erhalten die jungen Workshop-Teilnehmer jeden Tag eine neue Aufgabe und erarbeiten sich Stück für Stück eine Art Bühnenbild. Ein zerstörtes Haus aus Kartons wird bemalt ? Tagesaufgabe: »Wovor hast du Angst? Wie sieht für dich Krieg aus? Wie stellst du ihn dir vor?« Auf schlichtem Braun entstehen Zeichnungen ? Flugzeuge, brennende Häuser, Bomben, Soldaten. Einen Tag und eine Szene später kommen gebastelte Koffer und ein Bus aus Pappe hinzu. Tages aufgabe: »Was packst du in deinen Koffer?« Spielerisch bekommen die Jungen und Mädchen vermittelt, was es heißt, seine Heimat verlassen zu müssen.

Die anfänglichen Sprüche wie: »Die Ausländer kommen hierher und bringen den Krieg mit!« Oder: »Die sollen wieder gehen!«, hört man im Laufe der Wochen nicht mehr. Was nicht zuletzt auch an der Begegnung mit Ali Nuredin gelegen haben wird. Der junge Mann aus dem Irak ist ein Freund von Nina, Cora und Philipp, hat selbst eine abenteuerliche Flucht erlebt und stellt sich am vierten Tag den Fragen der Grünauer Kinder. Und die quetschen ihn regelrecht aus. Wollen alles wissen, ihn am liebsten gar nicht wieder weglassen.

Das gefilmte Interview ist eines der eindrucksvollsten Ergebnisse des Workshops und wird innerhalb des gesamten entstandenen Bühnenbildes zur Ausstellungseröffnung am 14. August der Öffentlichkeit präsentiert. Was auf den ersten Blick zunächst chaotisch erscheint, erschließt sich dem Betrachter innerhalb kürzester Zeit ? auch ohne die zugrunde liegende Geschichte zu kennen. Trümmer eines Hauses, Koffer, ein Bus, ein Boot inmitten hoher Wellen, eine Zugtoilette ... Am Ende ist da ein Schreibtisch ? Metapher für die Ankunft des syrischen Kindes und die Inobhutnahme durch das Jugendamt. Happy End? Nicht ganz: Denn jetzt beginnt ungewisses Warten auf unbestimmte Zeit.

Wie sich junge Flüchtlinge dabei fühlen, können ihre Grünauer Altersgenossen wahrscheinlich im kommenden Jahr erkunden. Die Idee zu einem neuen Projekt steht bereits: Kinder und Jugendliche aus dem KiJu und des Asylbewerberheimes Liliensteinstraße können gemeinsam einen utopischen Ort erfinden und bauen. Einen Ort, wo sie zusammen leben, spielen, lernen und ... glücklich sind.

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