Grün-As
Leipzig Grün-As Stadtteilmagazin

Editorial

Zurückhaltung und Bescheidenheit

Liebe Leserinnen und Leser, ich bin eigentlich kein Schreiberling, aber diesmal habe ich mich durchgerungen und hinter die Tastatur geklemmt. Beim »Grün-As« ziehe ich lieber im Hintergrund die Fäden und koordiniere die Herstellung sowie den Vertrieb des Magazins.

Ich bin eher der Macher als das Gesicht. Und genau das verbindet mich mit der Person, über die ich heute und an dieser Stelle unbedingt ein paar Zeilen los werden muss. Seinen Namen kennt in Leipzig fast jeder, der sich für unsere Stadt und deren Entwicklung interessiert – trotz seiner Zurückhaltung und Bescheidenheit.

Ich meine den mittlerweile Ex-Vorstandsvorsitzenden der Wohnungsbaugenossenschaft KONTAKT Rainer Löhnert. Er ist nach 30 Jahren Tätigkeit im Unternehmen still und leise zurückgetreten. Als ich vor zwei Monaten von seinem Abschied erfuhr – verpackt übrigens in einem lapidaren Abschlusssatz, hat mich diese Nachricht fast umgehauen.

Es gab Viele, die nicht daran glaubten, dass der Mann wirklich einmal den Hut nimmt und seinen Platz für neue Leute mit vielleicht etwas anderen Ideen und Plänen frei macht. Jetzt ist es aber geschehen und das bedeutet natürlich nicht das Ende des für mich sozialsten Vermieters der Stadt. Die KONTAKT wird auch künftig existieren und ihren eingeschlagenen Weg weitergehen mit den neuen Vorständen Jörg Keim und Jörg Böttger.

Was macht das Unternehmen aber eigentlich so besonders? Es zeichnet sich durch Engagement im sozialen Bereich, in der Betreuung der Mitglieder, im besonderen Mieterservice, wie Umzugsservice, Schlüsseldienst und Einkaufsservice für nicht mehr mobile Bewohner, aber auch dem Betreiben von zwei Klubs in Paunsdorf und in Grünau aus, wo Jung und Alt sowohl kulturelle als auch Sport- und Freizeitangebote unterbreitet werden. Nicht zu vergessen das Betreiben der Lindenbuchhandlungen in Paunsdorf und Stötteritz. Erwähnenswert auch der Wohnungsneubau, bei dem sie Vorreiter waren, die Unterstützung alternativer Wohnformen in Connewitz, den Bau von zwei Kitas als es in Leipzig dringenden Bedarf dafür gab. Ebenso herausragend ist das Engagement der KONTAKT bei der Unterbringung von Flüchtlingen, welches weit über das der anderen Eigentümer hinausgeht.

Doch zurück zu Rainer Löhnert, bei dem man immer auf offene Ohren stieß, wenn man für unseren Stadtteil etwas bewegen wollte. Ein Anruf genügte und schwupps saß man sich auf dem gemütlichen Sofa in dem ganz und gar unrepräsentablen Büro Löhnerts gegenüber und konnte sein Begehr vorbringen. Hilfe gab es eigentlich immer – sei es mit Sponsoring so beispielsweise für das Schönauer Parkfest oder mit einer personellen Unterstützung bei diversen Veranstaltungen. KOMM e.V. und »Grün-As«-Redaktion hilft das Unternehmen seit vielen Jahren mit günstig vermieteten Büroräumen. Eigentlich, so dachte ich oft, hätte dieser Mann in die Politik gehen müssen und dort die Fäden ziehen sollen – mit ihm als Bürgermeister wäre Leipzig noch interessanter und attraktiver als es sowieso schon ist. Auf alle Fälle sozialer...

Ich habe viel von ihm lernen können, wenn ich in seinem Büro auf der Couch saß und auf die DDR-Anbauwand nebst Marx-Bildnis blickte ... aber viel hat der heute etwa 70-Jährige nicht von sich preisgegeben. So erfuhr ich erst aus der LVZ von seiner 18-momatigen Haft in den 1968er Jahren in der DDR. Was andere sicher wie eine Monstranz vor sich hergetragen hätten, ist Rainer Löhnert nicht wert, zu erwähnen. Es zeigt, dass er sich nicht wichtig nahm und nimmt, sondern bescheiden für diese Stadt und sein Unternehmen viel im Hintergrund organisiert und durchgesetzt hat.

Es passt zu ihm, dass sein Alter und sein Geburtstag auch nicht ganz eindeutig bestimmbar sind. Als Flüchtlingsjunge aus dem Osten kommend, strandete der kleine Junge bei Bautzen und wurde dort von einer Bäuerin aufgenommen. Getrennt von seinen Angehörigen war weder seine Herkunft noch sein Geburtstag bekannt. Kurzerhand schätzte man ihn auf ein Jahr und seinen Ehrentag feierte er fortan gemeinsam mit seinen neuen Eltern.

Nun also ist Rainer Löhnert offiziell in Rente. Wer ihn kennt, weiß, dass er schon an neuen Projekten werkelt und sich weiter hier oder anderswo engagieren wird. Da mir keine marxsche Weisheit einfällt, könnte man sein Lebensmotto mit Brecht beschreiben: »Ändere die Welt, weil sie es braucht«.

Danke und Alles Gute Rainer Löhnert.

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