Wenn Kinder ihre Konflikte selbst lösen
Streitschlichterprojekt der 91. Schule wird zertifiziert
Erinnerungen an die eigene Schulzeit sind bei den meisten nicht nur von stundenlangem Stillsitzen, Hausaufgaben, Diktaten und heimlich Briefchen schreiben geprägt. Beinah jeder kennt auch die Situationen, in denen es Konflikte gab. Streitereien – bestenfalls verbal ausgetragen. Oft genug endeten sie aber auch als wilde Keilerei auf dem Schulhof.
Lehrer vermögen solche Zwischenfälle vielleicht mit ihrer Autorität und einem Machtwort beenden. Die Ursachen beseitigen sie damit in den seltensten Fällen. Die 91. Schule setzt daher seit drei Jahren auf
Schlichtung durch Schüler. »Kinder lösen Konflikte selbst«
heißt das Projekt, welches durch die Unfallkasse Sachsen nicht nur großzügig finanziert, sondern auch von einem Mediationstrainer
begleitet wird.
Am 20. August erhielt die Grünauer Grundschule für ihre erfolgreiche Arbeit mit den kleinen Streitschlichtern ihr Zertifikat sowie eine Plakette. Zuvor tauschten sich Lehrer, Erzieher und Projektbegleiter über ihre Erfahrungen der zurückliegenden Monate aus. Immerhin waren auch sie intensiv in die Umsetzung des Programms involviert.
»Natürlich war das für die Lehrer zunächst eine Umstellung. Einige befürchteten die Störung in ihren gewohnten Abläufen«
, schildert Mediationstrainerin Dr. Monika Sternberg die
anfängliche Skepsis mancher im Lehrerkollegium. In der Tat ist es sehr viel anstrengender, statt ein Machtwort auszusprechen, sich mit den Ursachen eines Konfliktes auseinander zu setzen. Oft fehlt die Zeit –
manchmal auch der Nerv, den Dingen auf den Grund zu gehen.
Doch es lohnt sich, sowie auch die Schlichtung von Streitigkeiten durch Schüler seine absolute Berechtigung hat. Meist sind diese nämlich viel näher dran am eigentlichen Problem, als ein gestresster Erwachsener. Sie kennen ihre Mitschüler, wissen besser, was der jeweilige Auslöser eines Streits war und haben nicht selten einen direkteren Zugang zu den Streitenden.
Zwölf Jungen und Mädchen werden auch in diesem Schuljahr mit einem speziellen Basecap bemützt und einem »Erste-Hilfe im Streit-Regularium«
in der Tasche Dienst in Sachen Streitkultur
verrichten – während der geregelten Einsatzzeiten das Ohr an den Mitschülern haben und wenn nötig eingreifen.
Im Training dürfen sie an ihren Lehrern üben, wie es geht (»Das finden die Kinder meist sehr amüsant.«
). Eltern-Kind-Nachmittage und außerschulische Projekttermine gehören für sie
genauso dazu wie Treffen mit Streithelfern von anderen Schulen, wobei letzteres für die Kids besonders aufregend sei.
Doch bei allen positiven Aspekten, gibt es auch Kritik am Projekt allgemein wie an der Durchführung im Speziellen. Während des Erfahrungsaustausches an der 91. Schule kommt dies auch offen zur Sprache: Ich sehe die Gefahr, dass sich einzelne Kinder über andere erhöhen, so eine Lehrerin. Eine andere berichtet, wie schwer es überhaupt war, geeignete und interessierte Kinder für das Projekt zu finden. Verständnis für die Eltern, die Angst haben, dass ihr Kind in Konflikte hineingezogen oder vom Lernen abgehalten wird, wurde ebenso geäußert wie Unverständnis über noch immer problematische Alltagssituationen, die man doch eigentlich verhindern wollte.
Klar sei, so Dr. Sternberg abschließend, dass man innerhalb von drei Jahren keine komplett konfliktfreie Umgebung schaffen könne. Das Projekt ziele vielmehr darauf ab, eine gewaltfreie Streitkultur zu vermitteln. Und das sei in großen Teilen gelungen. Nun liegt es an der Schule, die Arbeit selbstständig weiterzuführen und zu optimieren.
Klaudia Naceur