Mordshunger
Eine Mord- und Heimatgeschichte des Grünauer Autors Jürgen Leidert
Teil 14
»Da, wolln mor ma ran an den Speck, Herr Rietzschold, ich stampfe jetzt die Erdäppel und mische de Kleie drunter, da könnse die Viecher füttern, vorher holn mor inn Güllewachen und de
Sprossnleiter, da kannsch anfang. Als ich drühm wesch bin, da wollt der Kautzbauer mein Bruder, den Faulenzer holn, ich glowe nisch, dass der dem Kautz offn Hof hilft! Liewer klaut der mir de Fressage oder
nimmt mor weg, was er krieschen kann, der Stänker! Vielleicht kommt der Oskar Kautz mir noch in de Quere, will misch zum Pulksen holn. Un mir knurrn schon de Kutteln. Isch währ ma so ne Saukartoffel reinhaun
damits mor besser geht, hä! Mit Stampfen binsch nu fertsch, Chäffe!«
Emil Rietzschold: »Da wollen wir mal das Gefährt holen, damit ich Morgen düngen kann.«
Sie gingen gemeinsam zum Geräteschuppen an der Scheune, holten eine Sprossenleiter, einen großen Zinkeimer und dann den Tankwagen. »Jetzt hast du, was du brauchst Wattel! Ich füttere jetzt die
Schweinchen. Brauchst mich nur rufen, falls du mich brauchst!«
Der Bauer ging zum Schweinestall.
Wattel stellte die Leiter am Wagen an, kletterte hoch und löste die verklebte Verschlusskappe unter lautem Fluchen: »Hä, das Aas will nisch, isch bin keen Plaatsch, kriesch dich schon«
,
und hatte bald den Stutzen abgenommen. Er füllte Eimer für Eimer, kletterte immer erneut die Leiter hinauf und goss die Jauche in den Tank. Beim Füllen der Eimer stellte er sich immer auf den Betonrand der
Grube, das Tagwerk war fast vollendet. Wattel wollte einen weiteren Eimer befüllen, glitt auf dem schmierig gewordenen Rand aus, konnte die Balance nicht halten und stürzte kopfüber in die Güllegrube! Er
schrie herzzerreißend nach dem Bauer: »Hilf, äh, Chäffe, komm, komm, ich sterbe, ä, hä, Scheiße!!«
Der Bauer hatte den Plumps in die Plempe gehört und kam sofort aus dem Stall gerannt. »Hab' ich es nicht gesagt, wolltest eben in dem Kaffee baden, atme nicht so tief, sonst säufst du mir noch für
immer ab! Mach' den Mund zu und schwimme zum Grubenrand!«
Rietzschold nahm die Sprossenleiter, stellte sie so in die Jauche, dass sich das Wattel daran ranziehen konnte, lehnte sie dann an die Mauer der Grube, hielt sie fest, so dass er dann die Leiter hoch aus der Grube steigen konnte. Der Bauer tobte. Auch er war von Gülle bekleckert.
»Wattel, du bist ein Riesenrülps, eine Rohrwanze, bleib da stehen, ich werde dich jetzt ab - spritzen, desinfizieren, du Stinker!«
Rietzschold ging zum Wasserhahn am Pferdestall und wusch sich von den Händen und der Arbeitskluft die Gülle ab; der Hund knurrte immer noch, hatte die ganze Aufregung verfolgt. Der Duft war ihm wohl in die
Nase gefahren. Er herrschte den Hund an, »Max, halt das Maul, ab in die Hütte!«
Dann holte er aus dem Geräteschuppen einen großen Wasserschlauch, schloss diesen am Hahn an, drehte auf, rief laut: »Wasser marsch!«
Den Schlauch hatte er aufs Wattel gerichtet und
systematisch vom Gesicht bis zu den Füssen mehrmals abgespritzt.
»Jetzt zieh deine Knobelbecher aus, da scheint noch soviel Jauche drinnen, dass du den Tank damit vollbekommst, du Stinker. Ich hätte dich in der Scheiße verrecken lassen sollen, da hätte kein
Hahn danach gekräht. Gut, dass du nicht immer so tolpatschig bist! Manchmal bist du ja zu gebrauchen, aber deine Mutter hat, wo sie dich gestrickt hat, ein paar Maschen fallen lassen! Hebe die Füße hoch,
jetzt gibt's noch einen Strahl. Dann gehe in deine Hütte, bringe dich in Ordnung. Zieh dich um und wasche deinen Overall. Du wirst dich erkälten und stinkst sonst noch tagelang, wie ein Wiedehopf! Wenn du
nicht mehr zu riechen bist, gebe ich dir die Eier.«
»Ja, ich muss nu erscht ma raus aus den Klamottn«
, gab das Wattel klein bei, »wenn mor so nischt hat, bleibt ehm immer noch de Scheiße, bis Morgn!«
, schüttelt sich in
der nasskalten Kluft, verlässt das Gut, rennt barfuß über die Straße, die Gummistiefel in der linken Hand.
Jürgen Leidert