Mordshunger
Eine Mord- und Heimatgeschichte des Grünauer Autors Jürgen Leidert
Teil 15
Das Wattel war gerade sechzehn Jahre, eigentlich war er noch für das letzte Kanonenfutter zur Reichsverteidigung zu gebrauchen, aber sein oftmals schizophrenes Verhalten, hatte ihn davor bewahrt.
Mutter und Vater war gestorben, der Stiefvater gefallen. Olaf, sein Stiefbruder war zwei Jahre jünger. Ole nahm ihn in Empfang: »Du stinkst ja schlimmer als ein vergifteter Matjeshering, am
liebsten würde ich dich nicht ins Haus lassen!«
»Du Grünschnabel, verzieh dich bloß«
, gab Wattel zurück, »warst du beim Kautzbauer pulksen? Ich bin freilisch fucht'sch, rege misch nisch off, da krischste paar vor deinen
Nischel! – Meine Sachen sinn ganz glauch, musssch inndn Gardn hinters Haus häng, vorher in der Tonne durchspüln! – Heute gibt's keene Pilze mähr zu essen, bin völlisch grätch!«
Olaf lacht auf, »zu dem Oskar Kautz bin ich heute nicht muddeln gegangen, er hat gesagt, es hat keinen Draasch, hat mir och Pilze gebracht, nicht viel. Aber zum Abendbrot reichts für mich. Geh' in
der Frühe zu ihm! Soll seine Haflinger striegeln, wer weiß, was noch zu tun ist!«
Wattel sagt drauf: »Vergiss es nicht, du Faulpelz und Langschläfer, springe nicht für dich ein! – Übermorgen ist Ostern, da male ich dir die Eier blau! Morgen Abend essen wir Pilze, die ich
mitgebracht habe. Vom Schlemiel bekomme ich Eier. Jetzt muss isch meine Fusseln waschn, mich renovieren. Mir is zum Kotzen, dreht mir fast de Kutteln um, Tschau! Hoffentlich lassen uns die Amis und Tommys mal
ne Nacht in Ruhe ohne Fliescheralarm!«
Ole sagte noch: »Der Gemeindediener Otto Schröher war heute hier, aber das kann ich auch Morgen erzählen, Ade und gute Ruhe! Ich esse jetzt.«
»Rede«
, fasste das Wattel nach, »was wollte der Kräbel denn?«
»Er hat Polizeigewalt, muss jetzt immer mal sich informieren, wie das mit uns weitergeht, solange kein Vormund bestellt ist, hat er gesagt«
, so Ole. »Kann auch sein, wir müssen
in ein Kinder- und Jugendheim oder das letzte Aufgebot bei der Verteidigung stärken! Was meinst du, ob die das ernsthaft tun?«
Wattel: »Ja, ja, sä wolln das Haus der Eltern kassiern, damit sä die Flüchtlinge unterkrieschen! Nisch mit mir! Kann sin se wolln uns abknalln lassen, damit der Arsch for immer zu is. Da beissens
off Granit oder sä finden misch nisch gleich. Da binsch erscht ma fort!«
KAPITEL III
»Luise, es wird Zeit, dass du da bist, wollen doch endlich Mittagessen, Jörg wird auch schon großen Hunger haben«
, empfing uns Tante als wir vom Pilze suchen zurück kamen.
»Warst du bei Emil Rietzschold?«
»Nein«
, antwortete Mutti, »da war doch die Zeit zu kurz, habe ihn durch das Wattel ausrichten lassen, dass ich gegen Abend vorbei komme!«
»Gut, dann speisen wir jetzt unsere Spinatsuppe mit Kartoffelstückchen. Etwas Schwarzfleisch-Grieben habe ich hineingetan, hoffentlich schmeckt es euch!«
Ich machte mich über den tiefen
Teller her, während Gunter nur widerwillig löffelte. »Was ist mit dir, Gunti?«
, wollte Mutter wissen, als er so appetitlos im Teller stocherte.
Jürgen Leidert