RASTER : BETON - Grünau wird zum Festivalort
Künstler beziehen Quartiere im Stadtteil und eröffnen Festivalzentrale
Die Grünauer selbst wussten es ja schon immer: Ihr Stadtteil ist etwas Besonderes. Mit dieser Ansicht standen sie bislang zwar eher alleine da, doch nun werden sie von einer internationalen Künstlerschar darin bestärkt. Diese haben nicht nur großes Interesse an der Platte sondern schenken dem Jubilar und seinen Bewohnern zum 40. Geburtstag gleich ein ganzes Festival.
Nach langer und intensiver Vorbereitungsphase, bei dem der Stadtteil eingehend unter die Lupe genommen wurde, startete das dreimonatige Projekt am 1. Mai mit der Eröffnung einer Festivalzentrale im Hochhaus Stuttgarter Allee 4. Gleichzeitig bezogen fünf Künstler ihr Quartier in Grünau und beginnen mit ihrem Schaffen.
Einer von ihnen ist der Leipziger Architekt Daniel Theiler und was er sich für Grünau erdacht hat, dürfte bei einigen für Entzückung sorgen. Der junge Mann aus Plagwitz, der so viel Gefallen am Leben in der Platte gefunden hat, dass er am liebsten gleich für immer bleiben würde, will nicht mehr und nicht weniger, als dem Stadtteil seine einstige Exklusivität zurückgeben:
»Als Grünau noch jung war, konnte sich jeder glücklich schätzen, hier eine Wohnung zu bekommen. Die Leute waren stolz - es war etwas Besonderes. Leider ging das Gefühl in den Jahren nach der Wende
verloren. Ich möchte es mit meiner Idee wieder beleben«
, erzählt Daniel augenzwinkernd.
Mit Beginn des Festivals wird er in die Rolle eines Präsidenten schlüpfen und dem kleinen und wie alle betonen sehr exklusiven GGR-Klub vorstehen. GGR steht für Grünau Golf-Resort, einem Golfklub, dessen Terrain sich über den ganzen Stadtteil erstreckt, mit Fähnchen gekennzeichnet ist, der einzig Grünauer aufnimmt (Nicht-Grünauer müssen extra nominiert werden) und sein Klubhaus-Interim gern auf der Wiese zwischen Ringstraße und Breisgaustraße bauen würde. Darin wird eine Ausstellung zum Golfen in der DDR zu sehen sein, auf der Wiese gibt es Schnupperkurse und am Ende steht ein Abschlussturnier auf dem Plan.
So wie Daniel setzen auch alle vier weiteren Künstler vor Ort auf rege Teilnahme von Bewohnern des Stadtteils. »Wir wollen den Grünauern nicht einfach irgendwas vorsetzen. Sie sollen Mitwirkende
sein, Spaß haben und ihr eigenes Umfeld neu entdecken«
, erklärt Juliane Richter, die das Projekt gemeinsam mit Hannah Sieben leitet.
So möchte die Künstlerin Folke Köbberling beispielsweise zusammen mit Anwohnern bei drei Workshops im Mai die Fassade des mittlerweile leer stehenden KONSUMS in der Alten Salzstraße neu gestalten und lädt Interessierte herzlich ein, vorbeizukommen und sich einzubringen.
Auch das Projekt von Julischka Stengele lebt vom Mitmachen: Gemeinsam mit Ortsansässigen und Besuchern wird sie eine Sightseeing Tour durch das Viertel entwickeln. Beschrieben wird die Idee von ihr so:
»Das Format wird auf künstlerisch- performative Weise Besonderheiten Grünaus beleuchten. Die gefundenen oder selbst kreierten Sehenswürdigkeiten bieten eine andere Perspektive auf eventuell
Gewohntes, Übersehenes oder Unterschätztes, würdigen alte Lieblingsplätze und bieten neuen eine Bühne. Sowohl 'Ureinwohner' der Siedlung, als auch jene, die vielleicht erstmals skeptischen
oder neugierigen Fußes die Gegend erkunden, werden ihr Grünauer Wunder erleben.«
Das Büro »Zukunftsgeräusche«
beschäftigt sich mit dem ein wenig abstrakt daherkommenden Thema »Architektur und Tanz«
und setzt dabei vor allem auf lokale Tanzgruppen
aber auch Einzeltänzer, die das Lebensgefühl in chinesischen Großwohnsiedlungen nach Grünau transportieren möchten. Substanzieller ist dann schon wieder die Idee der französischen Künstlergruppe
»Bruit du Frigo«
, welche ein farbenfrohes fahrbares Kino durch den Stadtteil bewegen möchte und ein un gewöhnliches Kino-Live-Erlebnis verspricht.
Knapp zwei Monate bleiben den Künstlern nun, ihre Vorhaben in die Tat umzusetzen, bevor sie ihre Ergebnisse am 24. Juni der Öffentlichkeit präsentieren. Zum Auftakt des Symposiums »Grünau 40 -
Von hier aus betrachtet«
kann sich jeder ein Bild davon machen. Ansonsten gilt die Devise: Nicht nur gucken - anfassen und mitmachen.