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Leipzig Grün-As Stadtteilmagazin

»Hut ab dafür«

Im Interview: Theatrium-Mitbegründer Tilo Esche

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Wie genau entstand die Idee für das Kinder- und Jugendtheater?
Tilo Esche
Als ich 1994 als Schauspieler nach Leipzig an das Theater der Jungen Welt kam, hatte ich kurz vorher in Annaberg-Buchholz mein erstes Jugendtheaterprojekt inszeniert. Ich kannte dort einen Streetworker in einem Neubauviertel und so haben wir begonnen, mit Jugendlichen, die in ihrer Freizeit auf den Straßen in ihrem Viertel abhingen, Theater zu spielen. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten war das Projekt sehr erfolgreich, da es immer mehr Jugendliche zum Mitmachen animierte.
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Warum in Grünau?
Tilo Esche
Anknüpfend an die Erfahrungen aus Annaberg wollte ich auch in Leipzig zuerst in einem Neubauviertel versuchen, Jugendliche für ein Theaterprojekt zu begeistern. Unterstützt wurde ich dabei von Steffen Wieser, der damals noch Beleuchter am Theater der Jungen Welt war. Er kannte Uwe Walther vom KOMM-Haus und so war das unsere erste Anlaufstelle. Uwe sagte sofort zu, uns zu unterstützen und so nahm das erste Projekt: »Großstadtkinder oder The Day Is Waning Slowly« seinen Anfang. Wenig später lernten wir auf einer Lesung Beate Roch kennen und konnten sie auch für unser Projekt gewinnen. Sie ist heute noch Geschäftsführerin vom Theatrium und hat letztendlich alles am Laufen gehalten. Hut ab dafür!
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War es für dich der Sprung vom Schauspieler zum Bühnenleiter?
Tilo Esche
Ich denke eher der Sprung vom Schauspieler zum Regisseur. Schließlich konnten wir nach der Eröffnung des Theatrium 1996 neben den Jugendtheaterprojekten auch eine Menge eigener Inszenierungen mit professionellen Schauspielern auf die Beine stellen. Und da sind uns ein paar Sachen echt gut gelungen, zum Beispiel »Woyzeck«, »Urfaust« oder »Kalte Hände«.
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Wie entwickelte sich das Projekt über die Jahre und hatte es großen (Grünauer) Zulauf?
Tilo Esche
Am Anfang gab es ein begeistertes Team, das nur Eines wollte: Theater machen. Und da wir nur wenig Geld hatten, waren wir für Alles selbst verantwortlich. Das fing schon mit dem Ausbau des Atriums an, das später Theatrium heißen sollte. Wir hatten ein tolles Konzept, das zum einen professionelle Inszenierungen und zum anderen Kinder- und Jugendtheaterprojekte beinhaltete. Das erste Team am Theatrium war ein Glücksfall. Es trafen dort Menschen aufeinander, die sehr gut in einem Team arbeiten konnten. Eine ziemlich verrückte Truppe. Natürlich gingen auch nicht alle Träume in Erfüllung. Erst einmal wollten wir ja die Kids in Grünau erreichen. Aber das war schwieriger als gedacht. Ich glaube, nachdem das Theatrium etwas populärer wurde, hat es auch mehr Jugendliche aus anderen Stadtteilen angezogen. Aus Grünau kamen vielleicht 40 Prozent. Wir hatten auch am Anfang einen wahnsinnig vollen Spielplan. Schließlich wollten wir ja jedem Leipziger die Möglichkeit geben, unsere Stücke zu sehen. Das Problem war nur, dass wir natürlich kein funktionierendes Marketingkonzept und auch keinen Namen in der Leipziger Theaterszene hatten. So standen wir in den ersten Wochen oft allein vor dem Theatrium, obwohl wir bereit gewesen wären, jeden einzelnen Zuschauer per Handschlag zu begrüßen. Aber das änderte sich bereits merklich nach einem halben Jahr. Es gibt tolle Geschichten aus dieser Zeit. Wer mehr erfahren möchte, dem empfehle ich die Chronik des Theatriums, die zum 20-jährigen Jubiläum erschien.
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Tilo Esche
Grün-As
Welche Verbindung gibt es und gab es da zum Theater der Jungen Welt?
Tilo Esche
Ich habe ja das Theatrium gegründet, als ich noch Schauspieler am Theater der Jungen Welt war. Dadurch erhielten wir gerade in der Anfangszeit Unterstützung durch das TDJW. Besonders vom Bühnenbildner Gerhard Roch und natürlich durch Steffen Wieser. Auch gab es einige Kooperationen, die für beide Seiten sehr befruchtend waren.
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Hat das Theatrium die Leipziger Theaterszene (Jugend) insgesamt verändert?
Tilo Esche
Ich denke nicht, dass es unbedingt die Theaterszene verändert hat. Aber in jedem Fall bereichert, ergänzt und manchmal auch auf den Kopf gestellt. Es hat eine ganz eigene Form der Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen entwickelt und ist nicht selten auch so etwas wie eine neue Familie für die Beteiligten. In den letzten 20 Jahren haben dort knapp 1000 Kinder und Jugendliche auf der Bühne gestanden. Und das nicht als Event, sondern in regelmäßiger Projektarbeit. Pro Woche laufen dort fünf verschiedene (qualitativ hochwertige) Theaterprojekte, in denen manchmal über 20 Leute mitspielen. Das ist bei so einem kleinen Team eine unglaubliche Leistung und wäre in einem Stadttheater undenkbar.
Grün-As
Welche Veränderungen am Projekt hast du im Laufe der Jahre festgestellt?
Tilo Esche
Da ich die letzten Jahre des Theatriums hauptsächlich über Gespräche oder die Presse verfolgt habe, kann ich dazu nicht wirklich eine detaillierte Aussage treffen. Die Jubiläumsfeier hat mich sehr berührt. Ich finde es unglaublich gut, dass es gelungen ist. in ein neues Haus umzuziehen. Meiner Meinung nach ist die größte Veränderung, die Spezialisierung auf Kinder- und Jugendtheaterprojekte. Bei so einer hohen Anzahl von Projekten und den knappen finanziellen Mitteln, kann ich nachvollziehen, dass es zu Lasten der professionellen Inszenierungen ging. Auch wenn ich es persönlich sehr schade finde.
Grün-As
Vielen Dank für die Auskünfte!
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