Mordshunger
Eine Mord- und Heimatgeschichte des Grünauer Autors Jürgen Leidert
Teil 25
Es war ein herrlich schöner Tag, der so richtig zu der verbreiteten Friedenssehnsucht passte. Nur der grausige Leichenfund störte die sonnige Idylle! Franz Campon erklärte Otto und dem Polizisten:
»Ich habe die US-Militärverwaltung über die Geschehnisse informiert. Wie heißt der Bruder?«
Otto Schröer antwortet: »Axel Stannebein, bekannt im Ort als das Wattel! Mutter verstorben, war das zweite Mal verheiratet. Der Stiefvater wurde an der Front erschossen.«
Der Bürgermeister: »Wir müssen ihn zu Hause aufsuchen, ihn befragen, was er weiß. Sieht aus, als wäre es Mord. Außerdem werden bald die Polizisten von Markranstädt eintreffen, die ebenso Bescheid
haben. Mehr kann ich vorläufig nicht tun. Sicher wird hier erstmal alles weiträumig abgesperrt«
, und an uns Kinder gewandt: »Niemand geht nunmehr von euch an den Fundort, da könnten von euch
Tatortspuren verwischt oder liquidiert werden, versteht ihr das?!«
Oskar Kautz hatte die Menschenansammlung auf den Ellerwiesen mitbekommen und war hinten aus dem Grundstück dazugekommen. Er erzählte den Offiziellen, dass das Wattel ebenfalls lange verschwunden war, den Bruder erklärtermaßen gesucht habe. Die Polizeikommissare aus Markranstädt waren begleitet von amerikanischen Offizieren eingetroffen, sie informierten sich bei den Herren und bei Franz Campon über die ersten Feststellungen und eingeleitete Maßnahmen.
Die Amerikaner hatten die Kommissare und Techniker mit einem Militärjeep vor Ort gebracht. Der Fahrer war von der Dorfstraße links ab durch den Erlenweg bis an den Wiesenrand gefahren. Sofort haben sie
weiträumig mit den Absperrungen begonnen. Metallpflöcke wurden eingeschlagen, dann von einem zum nächsten ringsum Bänder zwischen Wald und Wiese gezogen, bis das Territorium mit dem Fundort in der Mitte
eingegrenzt war. Schilder wurden angehängt mit der Aufschrift: »Betreten verboten!«
Bürgermeister Campon und der Dorfpolizist sagten zu uns: »Jetzt habt ihr hier nichts mehr verloren. Mit einem untersuchenden Beamten gehen wir nun zum Haus, da setzen wir uns in den Vorgarten, denn
wir haben dann noch einige Fragen an euch. Ihr sollt nochmal erzählen, wie genau der Ablauf des Auffindens war, wer war zuerst an der Leiche usw. – Also gehen wir und lassen die Leute hier ihre Arbeit
machen.«
Die Beamten hatten jetzt schon Abdrücke von Spuren genommen, von Fußspuren und von einer Wagenspur mit Modellgips ausgegossen sowie den Leichnam freigelegt. Es musste schnell und konzentriert gearbeitet werden, denn Ende April setzte gegen neunzehn Uhr die Dämmerung ein. Wir waren im Vorgarten angekommen.
Der Polizeibeamte sagte: »Ich setze mich mit Herrn Hoffmann auf die Bank am Rosenstaket, rufe euch dann einzeln zur Befragung auf. Erinnert euch: Nur die Wahrheit hilft uns, alles
aufzuklären!«
Freddy sagt für uns alle: »Wir haben verstanden!«
Jürgen Leidert