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Leipzig Grün-As Stadtteilmagazin

»Wir dürfen Räume nicht einfach aufgeben«

Ehrliche Worte bei Grünauer Stadtteilkonferenz

Das war schon eine ganz besondere Gemengelage, die den Oberbürgermeister Burkhard Jung so kurz vor Weihnachten in Grünau erwartete. Am 15. Dezember hatte das Stadtoberhaupt zu einem Bürgerdialog unter dem Motto »Zusammenleben in Grünau«, eingeladen.

Damit sollte der im April 2016 begonnene unmittelbare Austausch zwischen den Leipzigern mit ihrer Verwaltung in den Stadtteilen fortgesetzt werden. Die Gemeinden St. Martin und Paulus hatten für die rund vierstündige Veranstaltung ihre Gotteshäuser geöffnet. Vielleicht war es denn auch den Örtlichkeiten zu verdanken, dass es trotz der vielfältigen Problemlagen, welche heftige Diskussionen erwarten ließen, angenehm friedlich blieb. Friedlich, aber nicht einlullend.

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Grünauer Stadtteilkonferenz - Open Space

Das wurde gleich zu Beginn deutlich. Die Grünauer Verhältnisse, die den hier Lebenden wohl bekannt sind und ihnen zunehmend Sorgen bereiten, wurden ungeschönt von Burkhard Jung selbst angesprochen, als er die großen Herausforderungen des Stadtteils aufzählte: Anstieg der Jugendkriminalität, Bandenbildung, schwindendes Sicherheitsgefühl, hohe Arbeitslosenquote, hoher Migrationsanteil, viele Förderschulen, schlechter Zustand der Bildungseinrichtungen, mehr Transferleistungsempfänger als in anderen Teilen Leipzigs, drohende Segregation. Die grobe Situation war somit skizziert. Ausgeschmückt wurde sie im unmittelbaren Anschluss von ausgesuchten Bewohnern und Akteuren.

Eindringlich schilderten engagierte und bekennende Grünauer Urgesteine, wie sich ihr Lebensumfeld in den vergangenen Wochen und Monaten verändert hat (siehe auch nächste Seite). Wie sie versuchen, trotz der schwierigen Situation die positiven Seiten des Viertels nicht aus dem Blick zu verlieren, von denen es doch auch so viele gibt. Selbst während der sich anschließenden offenen Diskussionsrunde in der bitterkalten St. Martins-Kirche, wurde schnell klar: Diejenigen, die sich zu Wort melden, sind keine Meckerer und Motzer, die undifferenziert ihren Frust über »die da oben« loswerden wollen. Hier stehen Menschen, die mit sich ringen, die ihren Stadtteil nicht aufgeben wollen, die ernsthaft an Lösungen interessiert sind, mittun möchten. Aber Hilfe benötigen.

Nach dem ersten Teil des Abends zog der Tross in die benachbarte Pauluskirche um. Dort erwartete die Teilnehmer nicht nur wohlige Wärme, sondern auch ein kleiner Imbiss. Einige hatten den Ortswechsel genutzt, um den Heimweg anzutreten. Bedauerlich einerseits, blieben doch zur anstehenden inhaltlichen Arbeit zu den einzelnen Themenkomplexen mehr oder weniger nur altbekannte Gesichter und jede Menge Verwaltungsmitarbeiter.

Andererseits hätten die ursprünglich rund 120 Anwesenden im ohnehin proppevollen Raum wohlmöglich kaum noch Platz gefunden. Denn dieser war vollgestellt mit einer Vielzahl von Thementischen, an denen es um die einzelnen Aspekte eines guten Miteinanders im Stadtteil ging: Integration, Nachbarschaft, Generationskonflikte, Ordnung, Sicherheit.

Ganz besonders viel Zeit schenkte Burkhard Jung den Anwohnern der Ringstraße. Das Quartier im Herzen Grünaus sowie das unmittelbare Umfeld entwickelt sich zu dem, was man getrost als sozialen Brennpunkt bezeichnen könnte (»Grün-As« berichtete). Für einige Bewohner kommen die langsam anlaufenden Gegenmaßnahmen wie ämterübergreifende Arbeitsgruppen, Gespräche mit dem Vermieter oder Überlegungen, die Schulsozialarbeit personell aufzustocken, bereits zu spät. Sie haben schweren Herzens ihre Koffer gepackt und die Gegend verlassen. Eine Reaktion, die Jung, wie er sagte, sehr gut verstehen kann. Gleichwohl merkte er ein wenig enttäuscht an, dass man dann eigentlich schon verloren hätte. Räume dürften aber nicht einfach aufgegeben werden.

Darin offenbarte sich trotz aller ehrlichen Worte das ganze Dilemma: Die Verantwortlichen haben sich zu lange daran erfreut, dass Grünau von der wachsenden Gesamtstadt profitiert und dabei die negativen Begleiterscheinungen ignoriert. Dass sich der Rathaus-Chef nun die Zeit nahm, sich eingehend über die teils alarmierenden Probleme vor Ort zu informieren, war ein Schritt in die richtige Richtung, darüber war sich der Großteil der Konferenz-Teilnehmer einig. Ob die Kommune angesichts der vielen Aufgaben, die auch in den anderen Stadtteilen anstehen, Lösungen findet, wird die Zukunft zeigen. Sicher scheint nur, dass dieser Prozess Jahre andauern und neben städtischem auch bürgerliches Engagement erfordern dürfte.

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