Liebeserklärung
Sie war in der Grün-As 3/2000 kurz und knapp angekündigt. Am 1.3.2000 lief im Radio bei MDR-Kultur die
Sendung unter dem Titel »Paradies nach Plan - eine Liebeserklärung an das
Neubaugebiet Leipzig-Grünau«
. Ein Beitrag, von Kristin Schönfelder gestaltet, der interessant
und beeindruckend zugleich war. Schade, dachten wir, als er nach einer Stunde bereits beendet
war. Die Kommentare waren zum Teil einfühlsam, so dass sie persönliche Erinnerungen weckten.
Andererseits waren es geschichtliche Berichte, die die Entstehung Grünaus unter den damaligen
Verhältnissen in der DDR widerspiegelten.
So war es halt… - angefangen bei der Übergabe der Urkunde zur Grundsteinlegung vom 1.6.1976 und deren Bedeutung:
Der 1. Hammerschlag gehörte Erich Honecker, der 2.Hammerschlag den Erbauern des Wohngebietes und der 3. Hammerschlag den künftigen Bewohnern. Leipzig war das zweitgrößte Bauprojekt der DDR, beschlossen auf dem 8.Parteitag der SED. Großflächenlösung war angesagt. 38.000 Wohnungen gibt es in Grünau, jeder 6.Leipziger ist ein Grünauer. 1986 wurden 10 Wohnungen pro Tag fertig gestellt, wie die LVZ damals stolz meldete. Kostenpunkt: 55.000,00 Mark der DDR (ca. 14000 Euro).
Von den Problemen der Materialbeschaffung wurde berichtet, und dass bei der Jagd nach dem
Plan Einiges auf der Strecke blieb - wie z.B. Qualität, der Spiegel im Bad, die Schwimmhalle
oder das Kino. Nach dem Motto »Leipzig meine Stadt - Grünau mein zu Hause«
erzählten dann
einige Grünauer über ihre ersten Kontakte zu Grünau und ihren Wohnungen, die damit verbundenen
Eindrücke sowie über die jetzigen Wohn- und Lebensverhältnisse. Es war deutlich herauszuhören,
dass sie gern hier wohnen, trotz der Probleme, die es halt gibt - ja, in welchem Wohngebiet gibt
es keine?
Einige Kommentare, die auch mit unseren Eindrücken vom Bezug unserer Wohnung damals
übereinstimmen, möchte ich hier sinngemäß gern wiedergeben.:»Es sah aus (beim Betrachten
der Wohnblöcke), als ob ein Riese sein Spielzeug in einer Brachlandschaft abgelegt hatte«
.
»Hell war das neue Reich (ein Kinderzimmer) gegenüber dem Kabuff von 6,5 qm, den ich bisher mit
meiner Schwester teilen mußte«
.»Beim ersten Anschauen der Wohnung begegnete uns zuerst nur
Schlamm. Es hieß auch Schlammhausen. Man behalf sich mit Plastetüte und Gummistiefel«
.
Zwischendurch sangen Kinder ein Stück des Liedes »Überall wird aufgebaut«
, und Erich
Honecker hielt eine Rede (natürlich nicht in voller Länge, bloß gut…). 118,00 Mark der DDR
(ca. 30 Euro) kostete die 3 1/2 Zimmer Wohnung, und für viele war es ein Paradies gegenüber
ihren bisherigen Wohnverhältnissen. Damals gab es ein Hausbuch, ein blassgrünes Heft in A4
Größe. Alle Mieter mußten sich darin an- und abmelden. Der ABV kam, nahm es mit, brachte es
wieder - was auch immer inzwischen damit geschah….?!
Auch Herr Puckelwald, von der Sprecherin bezeichnet als Vorzeige-Grünauer, tätig jetzt im
Amt für Stadtsanierung und Wohnungswesen, berichtete sehr eindrucksvoll von persönlichen und
dienstlichen Erfahrungen sowie Erlebnissen in Grünau, verbunden mit so manchen Anekdoten und
mit Unterton, so dass man echt gespannt weiter zuhörte und schmunzeln mußte. Zum Beispiel sprach
er von seiner 1-Raum-Wohnung, die er 1980 als »Einzelkämpfer«
bezog.
Er meinte sinngemäß: »Das
ist echt der schlimmste Typ von Wohnung, da kann man vom Bett aus die Spiegeleier in der Pfanne
wenden«
. Auch heute noch wohnt er in Grünau - nur haben sich seine Wohnverhältnisse der
Familiengröße angepaßt.
Er berichtete weiter wie sich die Menschen ihre Wohnungen »zurechtbauten«
, bastelten und
heimwerkelten - z.B. Holzverkleidung anbrachten, Waschbecken versetzten, Fliesen legten usw.
Auch erwähnte er die Statistiken, die besagen, dass die Leute kaum wegen der Wohnungen wegziehen
und sich das Wohnumfeld z.B. durch Allee-Center, Kino, Grünauer Welle und den Grün-Gürtel
verbessert hat.
Oft hört man aus Fernsehen und Presse viel Negatives über Grünau - »Ghetto, Platte, anonym,
rechts, grau«
- so ging es aus der Sendung hervor. Mitleidige Blicke sind oft die Antwort auf
die Frage »Wo wohnst du?«
, sagte eine Grünauerin und erhielt daraufhin sogar
Wohnungsangebote.
Dies war mal eine Sendung, die trotz der Probleme auch das Positive
darstellte. Sie zeigte, dass sich die Menschen hier wohlfühlen und gern hier wohnen. Es war eine
interessante Stunde. Danke dafür, vielleicht läßt sich dies wiederholen oder erweitern. Solche
positive Beiträge braucht Grünau, um das Image zu verbessern, nicht immer nur Kritik. Sagen Sie
doch auch einfach mal Ihre Meinung, wenn Ihnen etwas Positives begegnet - das Grün-As freut
sich bestimmt darüber.